Herbst in Alaska, dritter Teil (Wandern im Denali National Park)
(Einleitung)
Wie jedes Mal lohnt sich für uns ein Besuch im Denali National Park.
Der Denali Park ist kein umzäuntes Gebiet;
dieser 24.000 Quadratkilometer große Nationalpark Alaskas mit seinem 6194 Meter
hohen Mount McKinley bleibt trotz der hohen Besucherzahlen ein ungestörtes
Biotop, in dem jeglicher Eingriff des Menschen z.B. durch Jagen oder Fütterung
der Wildtiere, untersagt ist.
Nur eine Schotterstraße führt als 136 Kilometer lange "Sackgasse" in das
Naturschutzgebiet. Ausrangierte Schulbusse fahren die Besucher durch den
"Park². Selbst von der Straße aus hat man fast immer Glück viele verschiedene
Tiere zu entdecken: Caribous, Elche, Dall Schafe, Adler, Erdhörnchen, Bären und
manchmal mit viel Glück auch mal ein Vielfraß oder Wölfe.
Wir wollen ab von der Schotterstraße in der Wildnis des Denali Parks wandern.
Hierzu benötigen wir ein "Backcountry Permit². Verglichen mit der großen Fläche
des Parks, wird nur eine geringe Anzahl von Wanderern geduldet und so hoffen
wir eine Erlaubnis zu bekommen.
Zunächst gehen wir in das Besucherzentrum, um uns anzumelden. Der Park ist in
verschiedene Abschnitte eingeteilt, die nummeriert sind. In einem Buch, das im
Besucherzentrum ausliegt, können wir uns über Vegetation und häufig vorkommende
Tierarten in jedem einzelnen Abschnitt informieren. Wir entscheiden uns für
Unit 13 und 18.
Ein Videofilm informiert uns über das Verhalten bei Begegnungen mit Bären und
die Gefahren beim Durchwaten von Flüssen. "Es gibt immer noch Leute, die einen
Bären für ein Kuscheltier halten³, sagt der freundliche Ranger hinter dem
Informations-Tresen. "Auch die Gefahr eines plötzlichen Wetterumschwungs wird
manchmal nicht ernst genommen. Die Natur hat hier ihre eigenen Regeln und um
diese Jahreszeit kann es jeden Tag anfangen zu schneien."
Am nächsten Tag soll es nun also losgehen.
Wir sind aufgeregt und so schlafen wir recht unruhig in dieser kalten Nacht.
Doch was für ein Glück - gegen 4 Uhr in der Nacht tanzen für uns die
Nordlichter am Himmel. Grüne und manchmal ein paar rote Lichter bewegen sich
wie eingefärbte Nebelschwaden über den gesamten Nordhimmel hinweg, verharren,
bewegen sich langsam und dann wieder schnell, bis sie verschwinden und nichts
hinterlassen als einen schwarzen Nachthimmel mit seinen Sternen.
Am Morgen sind wir bereit für unser kleines Abenteuer. Wir sind zwar schon zum
dritten mal hier, aber jedesmal sind wir aufgeregt. "Und jedes mal sind unsere
Rucksäcke zu schwer!³, sagt Thorsten während er überlegt, welches der
zahlreichen Objektive aus seiner Kameraausrüstung zu entbehren wäre.
Der Camper Bus (das ist der Bus für diejenigen, die mit großen Rucksäcken
unterwegs sind und deshalb nur zur Hälfte mit Sitzbänken bestückt ist), nimmt
uns am Riley Creek Campground auf, um uns bis zum Wonder Lake zu bringen.
Auf dem Weg durch den Park sehen wir immer wieder den Mount McKinley. Weiß,
kalt und klar zeigt er sich heute - ohne Wolken um sein Haupt. Selbst die
Busfahrerin, die hier schon einige Jahre auf dieser staubigen Straße fährt, hat
den Berg noch nie den ganzen Tag lang so strahlend und ohne Wolkenkranz
gesehen. "Meistens zeigt sich Mount McKinley dem Besucher überhaupt nicht, und
wenn dann nur für ein paar kurze Stunden oder sogar nur ein paar Momente.
Schnell versteckt sich der riesige, eisige Berg wieder hinter Wolken³, sagt die
Busfahrerin. Doch wir haben Glück.
Am Wonder Lake Campground angekommen, bauen wir unser Zelt sozusagen "am Fuße
des Mount McKinley² auf. Das Panorama ist einfach überwältigend! Bis es dunkel
wird sitzen wir zwischen Blaubeerbüschen und beobachten, wie die Sonne den
Schnee des Mount McKinley manchmal orange einfärbt, dann wieder gelb oder rot
bis hin zu Flieder- und Blautönen.
Die Nacht wird kalt und am Morgen warten wir ab, bis die Sonnenstrahlen das Eis
auf unserem Zeltdach auftauen. Dann packen wir unsere Rucksäcke für unsere
3-tägige Wanderung. Der Camperbus wird uns an einer geeigneten Stelle des
Gebiets Nr.13 absetzen.
Nach einem steilen Abstieg von der Schotterstraße bis hinunter in das breite
und steinige Flußbett, sehen wir eine kleine Herde Caribous. Zunächst laufen
sie weg als sie uns erblicken. Doch da wir uns ganz ruhig verhalten, kommen sie
zurück. Caribous sind sehr neugierig. (Die Alaskaner sagen, sie seien dumm.)
Nachdem wir ein paar Mal kleine Flüsse durchwatet haben, kommen wir in ein
schmales Tal. Auf der Karte haben wir uns eine Route ausgesucht, die einem
Bachlauf folgt. Rechts von uns zieht sich die hügelige Endmoräne des
Gletschers entlang, zur Linken "umrunden² wir Mount Eilson, der sich in
prächtigen roten und gelben Herbstfarben und mit einer schneebepuderten
Bergspitze präsentiert.
Bald ist es Zeit sich einen guten Zeltplatz zu suchen. Wir achten darauf, einen
Platz zu wählen, der zum einen windgeschützt ist, aber auch einen guten
Überblick in alle Himmelsrichtungen gibt, damit man das Näherkommen eines Bären
schon von Weitem erkennt. Eine ganz optimale Stelle können wir für die Nacht
nicht finden, schließlich befinden wir uns in einem schmalen Tal. Wenigstens
einigermaßen windstill erscheint der Platz. Nachdem wir zu Abend gegessen haben
verstauen wir unsere bärensicheren Lebensmitteltonnen in etwa 100 Meter
Entfernung von unserem Zelt. Nicht daß die Bären unser Essen duch die
Hartplastik-Tonnen nicht riechen könnten - nein, vielmehr dienen die Tonnen
dazu, dem Bär den Zugriff auf die menschliche Nahrung zu verweigern. Bären sind
nämlich sehr schlaue Tiere; erkennen sie einmal den Zusammenhang zwischen einem
Wanderer und der Möglichkeit an Nahrung zu gelangen, dann wird dieser Bär zu
einem "Problembär², der dann üblicherweise erschossen werden muß. Oberstes
Gebot ist es also, den Bären niemals die Möglichkeit zu geben, an menschliche
Nahrung zu gelangen - das ist aktiver Tierschutz in Alaska.
In der Nacht können wir nicht schlafen. Nicht weil die Temperaturen wieder
unter den Gefrierpunkt gefallen sind -
im Gegenteil, wir schwitzen! Wir erleben das Wetterphänomen "Chinook", warme
Fallwinde. Und was für ein Sturm das ist! Die Zeltwände sitzen uns auf der
Nase, während wir um ein ein bißchen Schlaf ringen.
Am nächsten Morgen stellen wir fest, daß der kleine Wasserlauf, dem wir in
dieses Tal gefolgt sind, zu einem Bach angeschwollen ist. "Silk Water² - graues
Wasser schießt nun zwischen den Felsen hindurch. Durch den Chinook ist das Eis
des Gletschers weiter oben geschmolzen und trägt nun feine Staubpartikel in
seinem Wasser das Tal hinab.
An diesem Tag klettern wir auf die Endmoräne des Gletschers. Von hier erblicken
wir mehrere Gletscherseen innerhalb der Moräne. Das haben wir nicht gewußt, daß
noch Eis unter dem Geröll der Moräne ist! Wir hören wie das Eis "arbeitet² und
manchmal krachen kleinere Eisstücke in den See herab.
Die Natur kommt uns hier so gewaltig vor. Uralte Instinkte die in uns stecken,
werden wieder geweckt - und doch fühlen wir uns klein gegenüber soviel purer
Wildnis.
Schließlich entscheiden wir uns aus dem Tal hinauf zu steigen, um auf der "High
Tundra" zu wandern. Hier wachsen Blaubeerbüsche und Moose, die jetzt im
September in bunten Farben leuchten. Oben angekommen entdecken wir eine
Grizzlymutter mit ihrem Jungen in etwa 1000 Meter Entfernung. Zunächst
erstarren wir. Sie scheinen uns aber nicht zu bemerken, und so legen wir unsere
schweren Rucksäcke ab, um die beiden mit dem Teleobjektiv zu fotografieren -
und um zu beobachten, welche Richtung sie einschlagen, denn wir wollen ihnen
nicht in die Quere kommen. Die Bärin und ihr Kleines lassen sich viel Zeit beim
Fressen der Blaubeeren. Auch ich bekomme Hunger, und so tue ich es den Bären
gleich und "grase" auch ein bißchen nach Blaubeeren.
Schließlich legt sich die Mutter auf den Rücken und säugt ihr Junges. Ein
tolles Erlebnis!
Als die beiden sich entfernen und schließlich hinter einem Hügel verschwinden,
wandern wir weiter. Doch wir sind wachsam und halten Ausschau nach weiteren
Bären, denn auch ich weiß jetzt ja wie gut die Blaubeeren hier schmecken!
Gegen Abend sehen wir eine weitere Caribou-Herde, die auf der High-Tundra
grast. Eine Weile beobachten wir die Jungs, doch dann wird es Zeit eine
geeignete Stelle für unser Zelt zu finden.
Am nächsten Morgen stehen wir früh auf, damit wir genug Zeit haben, bis zum
Eilson Visitor Center zu wandern. Von dort steigen wir in einen der
Camper-Busse, um zurück zum Parkausgang gebracht zu werden.
Es war eine eisige Nacht und alle Sträucher und Büsche sind dick mit Rauhreif
überzogen. Die Sonne steht noch tief - nur Mount McKinley´s Bergspitze wird
schon, quasi von unten, von der Sonne angestrahlt. Wunderschön!
Das letzte Stück unserer Wanderung wird dann nochmal richtig anstrengend. Wir
kreuzen kleine Flüsse, schlagen uns durch Gestrüpp, dann wieder durch einen
Bach und dann geht es nur noch bergauf und durch dichtes Gestrüpp. Als wir
wieder die High Tundra und die Straße erreichen, sind wir erschöpft, aber
glücklich, während uns der Bus auf der holprigen Schotterstraße zurück Richtung
Park-Eingang bringt.
Wieder haben wir Glück und können aus dem Busfenster Bären
fotografieren. Zwei Grizzlys grasen nur ein paar Meter von der Straße entfernt.
Jetzt im Herbst haben sich die Bären eine dicke Speckschicht angefressen, die
sie in ihrem Winterschlaf wärmen wird.
Ein Stück weiter sehen wir dann noch einen prächtigen Elchbullen und auch
einige Dall-Schafe, die an einem steilen Berghang krackseln.
Die 3 Tage im Denali Park haben uns gut gefallen. Wir werden die gewaltigen
Landschaften und das Gefühl der Freiheit vermissen.
Nachtrag:
Eine Woche nach unserer Wanderung im Denali Park wurde die Straße gesperrt - an
einem Tag sind 40 cm Schnee gefallen!
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