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Beitrag: Yukon River mit Motorschlitten (Gelesen: 7980 mal) |
Husky_Heinz
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Peter_Kamper
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #16 Datum: März 4th, 2020 um 12:55:41pm) |
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Gegen 8 Uhr hätte eigentlich die Sonne über den weiten Horizont blinzeln sollen. Kurz vor Sonnenaufgang herrscht normaler Weise draussen auf dem Flussbett die kälteste Zeit des Tages und dies war auch heute so. Allerdings war der Himmel an diesem Morgen bedeckt und das Flusseis zeigte sich grau in grau mit den umliegenden Inseln was alles noch ein bisschen kälter erscheinen liess. - Carsten wollte natürlich schon um 8 Uhr morgens aufbrechen und wir würden natürlich folgen. “Bevor wir los fahren, müssen wir aber noch Tanken, oder ?”, meinte ich. “Ja, ja…, natuerlich.” Carsten war wie meist mit seiner Ausrüstung beschäftigt. Er drehte sich zu unserem Gastgeber um:” Wann macht die Tankstelle auf?” - “Gegen 10 Uhr.” Carsten war empört: “Erst um 10 Uhr ?” Im Geheimem sprach ich ein Dankeschön an die Tankstelle aus. Dies würde Kelly und mir etwas Zeit geben unser Muskelkostüm wieder einzurenken. - Wir begannen unsere Sachen wieder zu packen. Die Handgriffe, die dafür nötig waren funktionierten nun am zweiten Tag und drei Tassen Kaffe allerdings schon ein bisschen besser. Gegen 9:30 schlüpften wir in unsere Monturen und starteten unsere Motorschlitten. Diese sprangen selbst bei den niedrigen Temperaturen glücklicher Weise ohne Probleme an, auch wenn sich die Motoren in den ersten Minuten so lustlos anhörten wie ich mich fühlte. Als wir uns schlussendlich auf unsere Maschinen schwangen und bei der einzigen Tankstelle im Dorf vorfuhren, musste ich zum ersten Mal an diesem Tag schmunzeln. Hier also stand die einzige Tanksäule des Dorfes Tanana am Rande eines Seitenarms des Yukon River. Wer tanken wollte, zahlte auf der anderen Seite der schneebedeckten Schotterstrasse in einer kleinen Hütte :
Wenn es nicht ganz so kalt gewesen wäre, hätte die einsame Zapfsäule wahrscheinlich ihren eigenen alaskanischen Charm gehabt. So allerdings machten wir einfach was notwenig war um sicher voran zu kommen. Immerhin lagen über 160 km vor uns. Auch diesmal würden wir unser Ziel Galena wahrscheinlich erst wieder lange nach Sonnenuntergang erreichen. - Der Trail aus Tanana hinaus war ungefähr so perfekt gelegt wie man es sich wünschen konnte. Aufeis (Wasser im Schnee) gab es auch nirgends zu sehen. Am Morgen hatte ich wieder Panzerband auf meine Schläfen geklebt um vor Erfrierungen zu schützen. Auch hatte ich meinen Helm gegen meine Fellmütze eingetauscht. Carsten hatte eh gemeint, dass er beim Motorschlitten fahren von Helmen abrät: Falls du im Eis einbrichst, bist du mit einer Fellmütze weit besser dran als mit einem Helm. Mit einem Helm würdest du unter Wasser weit schneller die Orientierung verlieren und nach dem Auftauchen immer noch kaum Luft bekommst .” Irgendwie fühlte ich mich nach dieser Belehrung nach dem Frühstück zwar nicht sicherer auf dem Eis, aber meine Schutzbrille sass ganz klar weit besser. Wir gaben also Gas und auf dem wirklich gutem Trail erschienen mir 60 km/h plötzlich weit weniger kompliziert als am Vortag. - Langsam verzogen sich die Wolken des Morgens und wir fuhren nun unter einem strahlend blauem Himmel. Der Trail auf dem Yukon River verlief meist am Rand des Flusses, auch wenn wir den Fluss mehre Male überqueren mussten. Ob die Überquerungen des Flusses Abkürzungen waren oder aus anderen Gründen gelegt worden waren blieb mir allerdings schleierhaft. Auch wenn ich mich auf meinem Motorschlitten sicherer fühlte fand ich wenig Zeit mit den Augen die umliegende Gegend zu erkunden. Meine Augen blieben auf den Trail gerichtet, den jedes Mal wenn ich sie in die Ferne schweifen lies erwischte mich irgendeine Kuhle, die mich aus dem Gleichgewicht brachte. Anscheinend war ich wohl immer noch kein Profi… Die erfahrenen Trailbreaker, die den Trail vor Monaten gelegt hatten, wussten aber wohl sie taten. An vielen Stellen gab es draussen auf dem Fluss Haufen von aufgetürmten Eisschollen die man mit Motorschlitten nicht hätte überwinden können. gespeichert
Letzte Änderung: Peter_Kamper - März 4th, 2020 um 1:27:43pm
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Peter_Kamper
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #17 Datum: März 4th, 2020 um 12:57:30pm) |
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Auf harte Art und Weise lernte ich auch, dass der eigentliche Trail, der teilweise von Einwohnern der Dörfer schon Anfang Dezember angelegt worden war, die einzig vernünftige Strecke entlang des Yukon Rivers war. Da der Schnee und die darunter versteckten Eisschollen für mich recht harmlos aussahen, trat ich während einer Pause seitwärts vom Trail um ein Photo zu schiessen. Zwei Schritte weiter versank ich allerdings ohne jegliche Vorwarnung bis zu den Oberschenkeln im Schnee ein. Ich musste meiner amüsierten Frau mein iPhone reichen um mich mühsam wieder zurück auf den Trail zu kämpfen. Ich hätte Schneeschuhe gebraucht um den Fluss an dieser Stelle jemals überqueren zu können. Auch mein Motorschlitten währe bei solch einem Versuch spätestens 10 Meter vom Trail entfernt im Tiefschnee versackt. Von diesem Zeitpunkt an betrachte ich den Schnee neben dem Trail mit weit mehr Respekt. Ganz so harmlos wie die winterliche Flusswelt dort draussen im morgendlichem Sonnenschein aussah war sie sicherlich nicht. (Photo: Verwehte Eisschollen und Carsten’s Motorschlitten. Man sieht, dass er die Schutzscheibe an seiner Maschine erhöht hat um besser vor Wind geschützt zu sein.)
Mit etwas Geschick und Carsten’s gelegentlichen Lehren, lernte ich recht schnell entlang schräger Hänge am Rande des Flusses zu fahren und mein Gewicht zum richtigem Zeitpunkt aus der Hüfte und den Knien heraus zu schneller zu verlagern. Er hielt an um auf versteckte Schutzhütten zu weisen. Mehrmals hielten wir auch an um wohl eine der wichtigeren Lehren dort draussen beigebracht zu bekommen: :”Siehst du diese Vertiefung um Eis ?” Wir guckten auf ein Flussgebiet von 50x 50 Meter, das so erschien als wäre es abgesunken. “Im Winter sackt das Flusswasser unter dem gefrorenem Eis ab und dann bricht manchmal das Eis einfach nach. Dies heisst, dass du Spalten im Flusseis finden wirst. Wenn du mit einem deiner Kufen in solch eine Spalte fährst, kannst du dir einen Kufen anreissen. Checke solche Stellen immer aus.” Er schob mit seinem Stiefel etwas Schnee beiseite und zeigte mir eine Stelle nur 30 cm vom Trail entfernt, die tatsächlich eine solche Stelle aufwies. Autsch… Zwar hatte ich schon von Schlittenhunden gehört die in solche Spalten getreten waren und sich verletzt hatten, aber die Idee dies auf Motorschlitten zu beziehen war mir so naiv wie ich war noch nicht gekommen. Carsten brachte mir fast jede Stunde etwas neues bei und ich war dankbar. Kelly guckte von ihrem Motorschlitten aus ruhig zu. Immerhin hatte sie für 20 Jahre draussen an diesem Fluss gelebt und kannte sich weit besser aus als ich. Trotzdem war Carsten weit erfahrener wenn es um Flusstrails ging. “Kelly”, meinte er: “Du wussest das ?” - “Ja…”, meinte sie unbewegt. “Peter, du musst an solchen Stellen die Augen aufhalten.” Ok, … es würde wohl einige Zeit dauern bis ich meinen Status als Anfänger verlieren würde, aber ehrlich gesagt waren die Lehren eher spannend. Auch machen mich die kalten Temperaturen darauf aufmerksam, dass ich wohl besser zuhöre als die Tour auf die leichte Schulter zu nehmen. Ohne dies übertreiben zu wollen konnte wirklich jeden Moment etwas passieren, dass eine sehr kalte aber schöne Reise in einen Notfall verwandeln wuerde. Es war gut, erfahrene Freunde um mich zu haben die genuegend Geduld hatten um mir etwas beibringen zu wollen....
Kurz danach fuhren wir an der ‘Bonebank’ des Yukon Rivers vorbei. Dieser über 30.000 Jahre alte riesige lang gezogene Steilhang besteht aus immer weiter auftauendem lehmigem Permafrost und stammt aus der letzten Eiszeit. Er bricht jedes Jahr weiter ein. Immer wieder gibt der Fluss dort ganze Skelette von urzeitlichen Mammuts, Bisons und anderen lang vergessenen Tierarten preis. Deshalb nennt sie diese weit bekannte Formation eben auch ‘Bonebank’ (Kochenbank). Ich hätte ja Lust gehabt mal ‘kurz’ rüber zu fahren um mir diese berühmte Gegend anzuschauen, aber nach meinem vormittäglichen Schritten im Tiefschnee lies ich den Gedanken fallen ohne Carsten oder Kelly zu fragen. Wie sich später herausstellen sollte, würde hinter uns eine Gruppe mit Schlittenhunden und Motorschlitten folgen (Serum Run), die sich dort soweit in den Overflow und Schnee vergruben, dass es nur die Schlittenhunde wieder heil raus schafften und einige der Motorschlittenfaher (die eigentlichen Helfer) über einen Tag brauchten um wieder zurück auf den Trail zu kommen. Mehr dazu aber später…
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Letzte Änderung: Peter_Kamper - März 4th, 2020 um 1:33:41pm
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Peter_Kamper
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #18 Datum: März 4th, 2020 um 1:08:01pm) |
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Es war Mittag und wir mussten immer noch 120 km zurück legen um es bis nach Galena zu schaffen. Meine am Morgen noch verkrampften Handgelenke und Schultern begannen sich allerdings langsam zu lösen und plötzlich viel mir auf, dass der Trail eigentlich Spass machte. Carsten hatte mir am Morgen noch hilfreich erklärt, dass ich nicht ‘wie ein Kartoffelsack’ auf der Maschine sitzen sollte. Nach einiger Zeit verstand ich, dass Flexibilität im Oberkörper nicht nur beim Steuern hilfreich war sondern dass die Bewegungen mit der man die Maschine auf dem Trail ausbalancierten konnte auch warm hielt. Für mich war dies wohl der ‘Aha-Effekt’ des Tages. Gegen Mittag fühlte ich mich fast ‘eins’ mit meinem Motorschlitten, auch wenn ich zugegebener Massen nicht wirklich wusste, was dies eigentlich hies. Ich dachte mal wieder an die Teilnehmer des Iron Dog Rennens, die den Trail nur Tage vorher mit einem Durchschnittstempo von 100 km/h gefahren waren. Auch wenn selbst 60 km/h auf einem gutem Trail immer noch zu schnell für mich erschienen, wollte ich eigentlich so bald wie möglich in Galena eintreffen. Carsten hielt allerdings trotzdem auf einem sonnigem Teil des Trails an. “Wie wäre es mit Würstchen ?”, fragte er. “Würstchen ?”, fragte ich ? “Du willst hier doch kein Feuer machen, oder ?” Das nächste Feuerholz, das ich erspähen konnte lag ca. 200 Meter entfernt am einem steilem Ufer das ich misstrauisch betrachtete. Meiner morgendlichen Lehre nach lag zwischen uns und dem Ufer ganz klar jede Menge Tiefschnee.
“Nein, natürlich nicht”, meinte Carsten: “Die Würstchen koche ich während wir fahren.” Ernsthaft ?? Er hatte tatsächlich einen Kocher, der sich im Motorraum seines Motorschlitten am heissem Auspuff anbringen liess.
“Und wann sind die Würstchen fertig ? ”, fragte ich, während er eine Packung tiefgefrorener Würste aus sein Schlitten holte. -“Na, wenn sie gar sind, dann kann ich das vom Fahrersitz aus riechen. Und dann halten wir eben wieder an,” meinte er lachend. Nachdem der Kocher geladen und angebracht war, schloss Carsten die Motorhaube und wir fuhren weiter. Genial….
Der Trail ging am Anfang unserer Reise durch die Tanana Ebene und die sogenannten ‘Minto Flats’, einer See-Ebene die im Sommer eines der größten Wasservogel-Brutgebiete Nordamerikas ist. Langsam kamen wir nun allerdings in die bergige Gegend des mittleren Yukon Rivers, die sich unter einem zwar kaltem (die Temperaturen stiegen nie über -25C) aber strahlend blauem Himmel von ihrer schönsten Seite zeigte:
Mir wurde inzwischen auch klar, das sich der größte Teil des Trails nicht unbedingt weit draussen auf dem wahrem Flusseis befand sondern so angelegt war, dass man eher von Insel zu Insel fuhr um das Eis in der Mitte des Flusses, wo auch die meisten Eisschollen unter Schnee vergraben lagen, zu vermeiden. (In diesem Photo sieht man sich kreuzende Elch- und Hasenspuren…)
Zwanzig Minuten später waren Carsten's Würstchen warm und ich erhielt eine weitere Lehre entlang des Trails….
(mehr später… )
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Letzte Änderung: Peter_Kamper - März 4th, 2020 um 1:32:29pm
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #19 Datum: März 5th, 2020 um 9:14:47am) |
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am März 4th, 2020 um 6:17:50am schrieb Peter_Kamper : @ Snowdog: Klar kann man Hundeschlittentouren und Motorschlittentouren nicht vergleichen und ich weiss auch nicht ob ich 80 km an einem Tag bei -30/40C mit Hunden ueberstehen wuerde. Dies sind nun mal zwei verschiedene Welten. Mit drei kranken Hunden im Schlitten kann man immer noch weiter bis zur naechsten Ortschaft fahren. Mit zwei kaputten Kolben im Rucksack allerdings sicherlich nicht. Auch bleiben Hundeteams nicht im Overflow stecken, Motorschlitten frieren darin ganz klar ein wenn man nicht die Kraft und Hilfe hat sie raus zu ziehen. Im Prinzip ist es also weit sicherer mit Hunden zu reisen als mit einem Motorschlitten. Auch zeigen Motorschlitten keinerlei Reaktion auf Streicheleinheiten (sehr langweilig) und lassen sich im Notfall auch nicht als Waermkissen in den Schlafsack packen. Welche Art der Fortbewegung gefaehrlicher ist, laesst sich lange diskutieren. Immerhin hatte ich heizbare Lenkgriffe und eine Bremse. Auch faehrt mir mein Motorschlitten sicherlich nicht alleine davon. Alles in Allem gilt meine groessere Hochachtung ganz klar Mushern und deren Teams... Peter Zitierten Beitrag lesen Hi Peter,
danke für diesen launigen Vergleich von Iron- und Natural-Dogs !
Lt. deinem Bericht gibt es da aber noch einen deutlichen Vorteil fürs Skidoo:
Auf/in Huskies kannst du keine Würstchen warm kochen !
Die Überlebensrate der Würstchen tendiert gegen Null und die Huskies sind zu wenig Hot-Dogs, als daß du die Würstchen heiß bekämst.
Berichte ruhig weiter, wir sind alle gespannt, wie's weitergeht.
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Peter_Kamper
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #20 Datum: März 6th, 2020 um 11:46:55am) |
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Als Carsten schlussendlich wieder anhielt, waren die Würstchen fertig. Ich hatte allerdings heraus gefunden, dass ich mich kälter fühlte wenn man anhielt als wenn wir fuhren. “Ok”, meinte Carsten, “Wer will ein Würstchen ?” Ich war wenig begeistert, da ich normaler Weise erst abends esse und den Tag über eigentlich nicht an Essen denke. “Ich habe keinen Hunger, … und wieso müssen wir hier überhaupt eine Pause machen ? ”, meinte ich. Immerhin wollte ich Galena erreichen. Carsten nahm mich beiseite: “Iss etwas!”, meinte er ernsthaft. "Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass jeder Zeit etwas entlang des Trails passieren kann. Nimm dir die Zeit und fülle deinen Magen!” Dann erzählte er mir eine kurze Geschichte: “Vor Jahren bin ich mal mit dem Motorschlitten bei -40C von Dawson City bis nach Whitehorse (ca. 700 km) gefahren, weil ich dort einfach ankommen wollte. Irgendwann habe ich im Dunkeln nochmals meinem Tank aus einem einem meiner Benzinkanister aufgefüllt. Ich hatte zu wenig gegessen, wahrscheinlich zu wenig Wasser getrunken und dann funktionierte mein Gehirn auch nicht mehr so richtig. Als ich dann meinen Motorschlitten wieder startete, wusste ich plötzlich im Dunkeln nicht mehr genau aus welcher Richtung des Trails ich gekommen war.” Er guckte mich schräg an und lachte: “Kannst du dir dies vorstellen ? Ich war an diesem Punkt schon so erschöpft, dass ich fast die Orientierung verloren hätte. Ich hätte damals mehr Wasser trinken und etwas essen sollen anstatt nur darauf zu hoffen es so schnell wie möglich bis nach Whitehorse zu schaffen. - Bei Temperaturen wie diesen musst du deinen Magen zumindest immer halb voll haben und Wasser trinken um vernünftige Entscheidungen treffen zu können. Du weisst nie, was in den nächsten Stunden auf dem Trail passieren wird. Falls du plötzlich im Overflow versinkst oder ein anderer Notfall eintritt, musst du auf jeden Fall hydriert und satt sein. ” Er guckte mir in die Augen und betonte es nochmals: “Es ist wichtig sich diese Zeit zu nehmen!” Ihm waren diese Worte ernst und er war einer der wenigen Männer denen ich wahren Respekt zolle.
Schon nach den ersten zwei Bissen war mein Würstchen bei -30C schon fast kalt und meine nackten Finger fingen an zu frieren. Ich nickte, kaute und schluckte was er mir angeboten hatte. Die Würstchen waren von der fettigen Sorte und sicherlich keine Delikatesse. Allerdings guckte ich in die Ferne und sah nichts ausser Eis, Schnee und einsamer Wildnis um uns herum. Dann trank ich noch etwas Wasser. Carsten hatte natürlich Recht. Wenn hier draussen weit ab jeglicher Siedlung plötzlich etwas passieren würde das einen kühlen Kopf und Muskelkraft bedarf, sollte der Körper darauf vorbereitet sein.
Auch wenn wir drei gute Motorschlitten hatten und ich von erfahrene Partnern begleitet wurde, war diese Tour bei -30 C kein Zuckerschlecken. Mir kamen jede Menge Dinge in den Sinn, die falsch laufen konnten. Hoffe auf’s Beste und bereite dich zu jeder Zeit frühzeitig und so gut wie möglich für die kommenden Stunden auf’s Schlimmste vor. -
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Peter_Kamper
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #21 Datum: März 6th, 2020 um 11:53:40am) |
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Man konnte sich allerdings wirklich nicht über den Trail beschweren. Wieder einmal erschienen selbst mir zu Zeiten 60 km/h eine gute Geschwindigkeit entlang des Trails. 30 Stunden nach Beginn der Tour sass ich nun eigentlich recht sicher ‘im Sattel’. Dies war zumindest was ich mir einbildete … Überheblichkeit ist allerdings wohl einer der größten Fehler dort draussen. Plötzlich berührte einer der Kufen meines Motorschlittens nach einer Kuhle im Trail und zog mich in den Tiefschnee. Ich begann zu kippen, konnte plötzlich nicht mehr austarieren und kam zum einem eher sanftem Halt. Als ich mich dann neben der Maschine aufrichtete, stand ich plötzlich mit meinen isolierten Stiefeln bei -30C bis zu den Waden in unter dem Schnee verstecktem Wasser. Der Motorschlitten steckte im Overflow fest!
Während Schlittenhunde sich und den Schlitten des jeweiligen Mushers aus einer solchen Situation mit 40 bis 56 Pfoten meist leicht wieder heraus ziehen können, war dies mit einem 250kg schwerem Motorschlitten nicht ganz so einfach. Natürlich hatte ich Seilwinde, Seile und Schaufel griffbereit. Ich zog die Schaufel aus dem Gepäck und begann matschigen Schnee unter der Maschine weg zu schaufeln bevor diese komplett eingefroren war. Harte Arbeit…. Plötzlich wurde mir Carsten’s Lehre bewusst:” Du weisst nie, was auf dem Trail passieren wird.” Ich bin sicher, dass mir die Kalorien des Würstchens das ich eigentlich nicht essen wollte in diesem Augenblick zu Gute kamen.
Carsten hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht bemerkt, dass wir hinter ihm zurück geblieben waren und war weiter gefahren. Natürlich kann man sich auf solch einem Trail acht Stunden lang nicht alle 2 Minuten umdrehen um zu sehen ob wir noch folgen. Dafür bedarf der Trail an sich zu viel Aufmerksamkeit. Allerdings hielt ein Bewohner aus Ruby auf dem Trail an. Wir hatten seit Beginn der Tour keine anderen Menschen gesehen, aber 3 km ausserhalb des Buschdorfes Ruby hielt ein Mann auf seinem Motorschlitten an, betrachtete die Lage und meinte recht trocken: “Wow. Du hast echt Overflow gefunden ? Wie hast du das denn geschafft ? “ Ich guckte mit meiner kleinen Schaufel dumm aus der Wäsche und fand keine Antwort. “Aehm…, ja nun… “.
Kelly sass allerdings auf ihrem Motorschlitten und meinte: “Hi, … und wer bist du ?” “Victor”. - (kein Nachname in diesem Post). “Victor ! Ich bin Kelly Kamper, früher mal Kelly Malamute,” antwortete die beste aller Ehefrauen. “Du hast die Nichte meiner Tochter geheiratet.” - “Oh, … Kelly, das bist du ?,” meinte Victor und zog seinen Helm ab. Die Beiden begrüßten sich während ich verdienter Weise nassen Schnee neben dem Trail schaufelte und mir keiner mehr Aufmerksamkeit schenkte. “Braucht ihr Hilfe ?”, fragte Viktor mit einem Seitenblick auf mich. - “Nein, mach dir keine Sorgen. Wir kriegen das schon hin,” antwortete Kelly. Ich schaufelte schweigend weiter um den matschigen Schnee unter meinem Motorschlitten zu entfernen. Was sollte ich auch sonst tuen ? Noch waren es 65 km bis nach Galena und dort wartete ein warmes Apartment auf uns. - Kelly hatte für 20 Jahre in Galena gelebt, dort damals 4 Kinder von Eltern mit grossen Problemen adoptiert und diese dann bis heute auch gross gezogen. Ihr Name ist in den Buschdörfern des unterem Yukon River sehr bekannt und sie hat dort immer noch viele Freunde. Wir befanden uns also inzwischen eigentlich in ihrer alten Heimat. Nachdem Victor weiter gefahren war, half Kelly mir den Motorschlitten halbwegs aufzurichten. Auch Carsten kam zurück nachdem er bemerkt hatte dass wir wohl irgendwo stehen geblieben waren. Er zeigte mir wie man den Motorschlitten im Aufeis am Besten wieder aufrichten kann, was die besten Chancen sind die Maschine wieder auf den Trail zu bringen und wo man Seile an der Maschine anbringt um sie mit Kelly’s Motorschlitten vielleicht wieder zurück auf den Trail zu ziehen. Ansonsten rührte er allerdings keine Hand sondern guckte nur zu. Immerhin würden Kelly und ich den Trail zurück in Richtung Fairbanks ohne ihn befahren. Wir mussten solch eine Situation also alleine handhaben können. Langsam verstand ich, dass Carsten die langen Stunden auf dem Trail mit uns nicht als Vergnügen sondern eher als kurzes aber hartes Training für mich geplant hatte.
Dieses Photo mag recht harmlos aussehen, aber der 250 kg schwere Motorschlitten lies sich damals nicht bewegen. (Das Photo zeigt wie Kelly mir nach langem Schaufeln mit einem an ihrem Motorschlitten befestigtem Seil half, die Maschine wieder auf den Trail zu ziehen. Man sieht wie viel Höhenunterschied zwischen dem hartem Trail und dem umliegendem Schnee und Schneematsch - also Overflow- bestand). Aber wer haette gedacht, dass unter dieser Schneedecke bei -30C Wasser liegt ??
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Peter_Kamper
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #22 Datum: März 6th, 2020 um 11:55:14am) |
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Meine Eskapade im Overflow hatte uns über eine Stunde gekostet. Carsten war natürlich geduldig gewesen, sagte aber nun: “Wenn wir irgendwann mal in Galena ankommen wollen, sollten wir langsam mal Gas geben.” Die Temperatur auf dem Flusseis sank auf -35C. Auch wenn der Sonnenuntergang wohl wunderschön aussah, hafteten meine Augen bei der Geschwindigkeit die Carsten vorgab bis in die Dunkelheit hinein auf dem Trail. Wir hielten auf den letzten Kilometern nur zwei Mal kurz an. “Will noch jemand ein Würstchen,” meinte Carsten beim erstem Mal. “Nein”, … ich wollte nach Galena, erinnerte mich allerdings an seine Lehre in Hinsicht auf einen zumindest halb vollen Magen und teilte mir eines der Würstchen mit Kelly. Beim zweiten Mal hielten wir nur kurz an um im Scheinwerferlicht der Motorschlitten zu diskutieren ob wir eine übliche aber mir natürlich unbekannte Abkürzung nach Galena durch einen Seitenarm des Yukon Rivers namens ‘Bessie Slough' nehmen sollten. Carsten und Kelly kannten diese Abkürzung. Ich hatte natürlich keine Ahnung und hätte auf meinem GPS nachgucken müssen um herauszufinden wo ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt war. Wie so oft schon vorher hielt ich bei dieser Diskussion den Mund. - Rund herum war alles dunkel und manchmal war es schwierig heraus zu finden ob man sich auf einer Sandbank oder dem Fluss befand. Allerdings war der Trail gut gekennzeichnet. Allerdings verstand ich endlich wie sich Musher des Yukon Quest oder des Iditarod fühlten, wenn sie den Trail des Rennens auf dem Yukon River nicht mehr finden konnten. Alles weiss, alles Eis und der Rest Dunkelheit. Eine Abkürzung nach Galena hörte sich für mich natürlich gut an. Kelly’s Freunde hatten ihr allerdings vor Tagen schon erklärt, dass Bessie Slough auch bei den jetzt herrschenden Temperaturen von tiefem Overflow geplagt war. Wir nahmen also die lange Route. Da sich bei mir seit dem Nachmittag eh die Nackenhaare gesträubt hatten wenn ich ‘Overflow’ hörte, war ich ohne gefragt zu werden mit dieser Entscheidung sehr zufrieden. Es muss aber trotzdem erwähnt werden, dass es weit schlimmeren ‘Overflow’ gibt, als die Pfütze, die ich an diesem Tag gefunden habe.
15 Minuten später sahen wir die ersten Lichter des einsamen Buschdorfes in der Ferne. Gegen 20:30 Uhr fuhren wir dann vom Fluss aus eine steile Uferbank hinauf und befanden uns plötzlich auf einer Hauptstrasse in Galena. Kurze Zeit später parkten wir unsere Motorschlitten bei Kelly’s Freunden. Ihre Freunde hatten ihr schon im Voraus ein Apartment mit zwei Schlafzimmern zur Verfügung gestellt.
Das Thermometer zeigte -38C als wir ankamen. Unten auf dem Fluss war es erfahrungsgemäß kälter. Uns war dies aber inzwischen egal. Wir lösten die Schnallen von unserem vereistem Gepäck und trugen es in ‘unser’ Wohnzimmer bevor wir uns drinnen endlich unserer vielschichtigen Winterbekleidung entledigten.
An diesem Tag waren wir insgesamt 240 km gefahren. Auch Carsten sah so aus, als wäre der Tag nicht so ganz ohne an ihm vorbei gegangen. Kelly, Carsten und ich wollten nun in Galena für drei Nächte rasten bevor Carsten weiter in Richtung Bering See aufbrechen würde. Kelly und ich wollten dann allerdings entlang des uns nun bekanntem Trails zurück in Richtung Fairbanks fahren. Wir hatten innerhalb von 36 Stunden und bei Temperaturen bis zu -38C mit unseren Motorschlitten auf dem Eis des Tanana und Yukon River insgesamt über 450 km zurueck gelegt. Ich war einfach hundemüde….
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Snowdog
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #24 Datum: März 6th, 2020 um 11:42:49pm) |
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Hallo Peter, super geschrieben, ich habe das Gefühl das ich dabei war. So hast Du deinen Bericht geschrieben. Einfach toll. Bin gespannt und freue mich über die weiteren Erlebnissen die Du und Kelly auf der Tour hattet. Einfach super. Gruß Husky_Heinz gespeichert
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #25 Datum: März 7th, 2020 um 1:09:49am) |
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Vielen Dank für die lieben Kommentare. Es macht allerdings auch Spass diese Erinnerungen nieder zu schreiben bevor sie irgendwann verblassen... Also weiter geht’s… ===================== Als wir am nächsten Morgen aufwachten und ich mich aus dem Bett wälzte, erwartete mich eine Überraschung. Kelly hatte uns im Dunkeln der vorhergehenden Nacht durchs Dorf zu unserem Apartment geleitet. Immerhin war sie es, die sich dort auskannte. Wir hatten zu jenem Zeitpunkt weder Interesse noch genügend Licht gehabt um uns die nähere Umgebung des Hauses anzuschauen. Anstatt dessen hatten wir einfach unsere Ausrüstung ins Warme geschleppt und waren glücklich gewesen eine Haustür hinter uns zumachen zu können. Als mir Kelly nun eine erste Tasse Kaffee in die Hand drückte und ich aus dem Fenster guckte, bot sich mir allerdings ein unglaublicher Anblick. Die Sonne ging grade über dem Yukon River auf, und dieser lag zu meinem Erstaunen nur 80 Meter entfernt vor unserem Apartment. Es war ein Anblick, den ich so schnell nicht vergessen werde. Natürlich ging ich, wie es für einen wahren Touristen üblich ist, sofort hinaus um ein Photo zu machen. Von unserer Eingangstür aus bot das Raeucherhaus unserer Gastfamilie einen hervorragenden Vordergrund. Fast jede Familie in Galena nützt den sommerlichen Lachszug um Vorräte für den Winter anzulegen. Im Augenblick stand das oft benützte Häuschen allerdings still und verlassen in der klirrenden Kälte des Morgens.
Bei näherer Betrachtung wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie viel Schnee den Winter über entlang des Yukon Rivers gefallen war. Nach einem Blick auf’s Aussenthermometer (mal wieder -38C) schloss ich die Haustür hinter mir und war froh den ersten von zwei Rasttagen einlegen zu können. Drinnen sassen Carsten und Kelly. Sie erzählten sich gegenseitig Geschichten, aber als Carsten mich sah meinte er sofort: “Falls du Lust hast, können wir heute mal mit den Maschinen nach Koyukuk fahren. “ Ich war erst halb wach und hatte mich noch nicht entschieden was mir weher tat: Handgelenke, Oberarme oder Schultern. “Wie weit ist das denn entfernt ?”, fragte ich misstrauisch. - Nur 60 Kilometer. Wir können dann zum Abendessen wieder hier sein.” “Also ’nur’ 120 km hin und zurück ?” - ‘Du kannst mich mal…’, dachte ich mir. “Nee Alter, ernsthaft…, heute mache ich blau…,” sagte ich statt dessen. - Nach einem leckerem Frühstück ging ich nochmals raus um die nähere Umgebung zu erkunden. Der Hof (wenn man es so nennen darf) unserer Gastgeberin hatte den typischen Flair eines Buschdorfes. Um unsere 3 Motorschlitten standen mindestens 5 weitere herum. Jeder in Galena schien wohl zumindest einen Motorschlitten zu besitzen. Eigentlich war dies aber verständlich.
Einige von Kelly’s Freunden kamen ebenfalls zu Besuch. Es wurde viel geredet und gelacht. Jeder schien glücklich zu sein, dass Kelly endlich mal wieder zu Besuch gekommen war. Der Tatsache, dass sie per Motorschlitten gekommen war fand ebenfalls ein bisschen Bewunderung, auch wenn man dies hier wohl nicht für allzu ungewöhnlich empfand. “Oh… übrigens, pass auf die Elche auf”, meinte ihre Freundin Paula. - “Welche Elche ?”, fragte Kelly. Da der Winter sehr hart und der Schnee tief war, schien es für Elche nach einem schwerem Schneesturm im Januar sehr schwierig geworden zu sein, größere Strecken zurück zu legen um Nahrung zu finden. Die Wolfsrudel der Gegend hatten anscheinend keine allzu grossen Probleme manche der geschwächten Elche zu töten. Alleine im Februar waren bisher zwei von Wolfsrudeln gerissene Elche tot und halb aufgefressen am Stadtrand von Galena gefunden worden. “Deshalb kommen die Elche nun ins Dorf um Schutz zu suchen”, meinte Paula. “Passt einfach auf. Die armen Tiere sind im Augenblick recht schlecht gelaunt und man sollte ihnen besser aus dem Weg gehen.” Eigentlich sollte man Elchen immer aus dem Weg gehen, und ich konnte ihren Kommentar sehr gut verstehen. Die Einwohner der Stadt liessen die Tiere einfach in Ruhe. Es war wohl ein halbherziger Waffenstillstand zwischen Mensch und Tier der nur zur Jagdzeit gebrochen wurde. Stunden später, als ich raus ging um endlich das am Vortag unversehens und kostenlos von mir erworbene Aufeis von meiner Maschiene abzuschlagen, stand ich dann tatsächlich vor einer jungen Elchkuh. gespeichert
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Peter_Kamper
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #26 Datum: März 7th, 2020 um 1:13:38am) |
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Sie suchte im Hof Schnee mit dem Urin von Hunden und kaute genüsslich. Als ich später fragte wieso sie dies tat, wurde mir gesagt, dass der Mineralgehalt des Urins im Winter für Elche eine willkommene Bereicherung ihrer Nahrung ist. Hmm, das hatte ich auch noch nicht gewusst….
Ich liess die junge Dame natürlich in Ruhe und ging erst zu meinem Motorschlitten nachdem sie auf der Suche nach weiteren Leckerbissen langsam zum Nachbarn wanderte. Zum Abschlagen des gefrorenen Aufeis an den beweglichen Teilen meiner Maschine gab Carsten mir einen Gummihammer aus dem anscheinend endlosem Repertoire seines Schlittens. “Sowas muss man dabei haben”, meinte er. Ok, … ich hatte wieder mal etwas gelernt. In meinem Winteranzug lag ich dann für eine halbe Stunde im Schnee um das Eis vom Unterteil meiner Maschine zu entfernen. - Hinter dem Haus fand ich später eine Sammlung prächtiger Elchgeweihe, die neben einer Sammlung von Kinderfahrrädern kunstlos an einem schief in den Boden gerammtem Pfahl angebracht waren. Geweihe für die mache Jaeger ihr gesamtes Wohnzimmer umräumen würden um sie an die Wand zu hängen, wurden hier wohl eher als ein unbeachtetes Nebenprodukt der jährlichen Fleischjagd angesehen. Da es sehr teuer ist von Fairbanks aus Steaks oder anderes Fleisch einfliegen zu lassen, jagt hier so ziemlich jede Familie zumindest einen Elch pro Jahr. Jagd wurde hier tatsächlich noch zum Zweck der Ernährung betrieben. “Hast du schon deinen Elch geschossen ?” ist unter Einwohnern von Buschdörfern wie Galena während der herbstlichen Jagdzeit eine völlig natürliche und oft gestellte Frage. Um Geweihe geht es dabei nicht….
- Mittags bestellten wir uns vom einzigem Restaurant des Dorfes gebratenes Hühnchen mit Kartoffelbrei, Maisbrot und brauner Sosse. Es schmeckte mir hervorragend, speziell da ich gefrorenes Baquette mit gefrorener Salami und gefrorenem Käse zu diesem Zeitpunkt so ziemlich satt hatte… Den größten Teil des Tages verbrachten wir wie gesagt mit Besuchen von Kelly’s Freunden, Geschichten erzählen und dem Trocknen unserer Ausrüstung. Nach mehr fühlte ich mich ehrlich gesagt auch nicht … Tagsüber waren die Temperaturen in der Sonne auf -25C gestiegen, was sich für mich nach den letzten Tagen erstaunlich warm anfühlte. “Siehst du”, sagte meine innere Stimme, “man gewöhnt sich an alles.” Ganz so optimistisch war ich zwar nicht, aber mit etwas Stolz gab ich langsam vor mir selbst zu, dass ich die bisherigen Tage eigentlich gar nicht sooo schlecht gemeistert hatte. Trotzdem war ich mir nicht so ganz sicher wie die Rückfahrt ohne Carsten werden würde. Kelly und mir war voll bewusst, dass seine Anwesenheit auf dem bisherigem Teil der Tour nicht nur hilfreich sondern eigentlich auch nötig gewesen war. Er würde am übernächstem Tag allerdings weiter in Richtung Bering See aufbrechen während wir den Rückweg dann alleine antreten würden. -
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Peter_Kamper
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #27 Datum: März 7th, 2020 um 6:22:44am) |
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Der nächste Tag brach wie der der Letzte an. Die Sonne ging bei -35C über dem stillem Eis des Yukon River auf und wir genossen Kaffee, Rührei und Speck. Ich konnte mich an der Aussicht (wohlgemerkt durch’s Fenster betrachtet) kaum satt sehen. Mir fiel kein Platz ein, an dem ich an diesem Morgen lieber gewesen wäre. Als die Farben des Sonnenaufgangs verblichen und sich der strahlend blaue Himmel draussen über der Wildnis und dem Fluss ausbreitete, redeten wir über die Kunst einen Motorschlitten zu fahren. Ich hatte schon mehrmals kleine Steilhänge mit meiner Maschine erklommen, aber immer Angst gehabt, dass ich dabei nach hinten über kippe. “Kein Problem”, meinte Carsten während er abwertend mit seiner Hand wedelte. “Bleib einfach sitzen und gib Gas.” -Ja, aber wenn ich zu viel Gas gebe, dann hebt die Maschine ab und überschlägt sich doch, oder ? - “Na dann gib eben weniger Gas. Die Motor sitzt ganz vorne und die Dinger kleben gradezu am Boden. Über so etwas musst du dir wirklich keine Sorgen machen. “ Carsten änderte das Thema:”Dein Problem ist, dass du immer noch nicht raus hast wie du deinen Motorschlitten mit Gewichtsverlagerung steuern kannst. Wir sollten heute mal raus fahren und dann zeige ich dir, wie das funktioniert. Du musst langsam mal Vertrauen in deine Fahrkünste entwickeln.”
Nachdem ich vor zwei Tagen im Aufeis stecken geblieben war, hatte sich meine Lust auf Tiefschnee um vieles verringert. “Und was passiert wenn ich stecken bleibe ?” “Dann gib Gas, oder ich ziehe dich raus.” Klar. Carsten’s Maschine hatte nicht nur mehr PS als die meinige, sondern auch ‘Paddeltracks’, deren Gumminoppen weit tiefer in den Schnee eingriffen. Abgesehen davon war sein Motorschlitten zwischen den Noppen auch mit ’Spikes’, also im Laufgürtel angebrachten langen Metallschrauben versehen, die so ungefähr überall Griff finden konnten obwohl sie eigentlich für Fahrten auf reinem Eis gedacht waren. Ich konnte zu seinem Angebot auf eine Trainingsfahrt schlecht ’nein’ sagen. Immerhin war mir inzwischen klar geworden, dass Carsten unsere Tour nie als einen gemütlichen Ausflug nach Galena sondern eher als eine persönliche Schulung geplant hatte. Zugegebener Massen fühlte ich inzwischen aber inzwischen auch die Resultate seiner Lehren. Ich war selbstbewusster geworden. Handgriffe sassen besser, tiefe Kuhlen oder Seitenhänge ging ich nun weit ruhiger an, meine Ausrüstung funktionierte besser weil ich wusste wie ich sie benutzen sollte und obwohl ich über -35C immer noch die Stirn runzelte war es nichts mehr, das mir allzu grosse Sorgen bereitete. Ich zuckte mit den Schultern: “Ok, dann lass uns gehen…” Es war nicht so als wäre ich vor Begeisterung über seine Idee auf und ab gehopst, aber wenn Carsten mir mal wieder etwas beibringen wollte, sollte ich wohl schon mitmachen. Er gab sich wirklich Mühe. - Das Anziehen meiner gesamten Motorschlittenausrüstung, eine Sache für die ich in meinem früherem Leben (4 Tage vorher) mindestens 7 Minuten gebraucht hatte, ging schnell von Statten. Wir liefen zu unseren Motorschlitten. Diese sprangen dann trotz der tiefen Temperaturen auch hustend und keuchend an. Nachdem sich die Motoren erwärmt hatten, fuhren wir wenige Minuten später der Hauptstrasse entlang auf ein baumloses und schneebedecktes Feld hinaus. “Ok, jetzt fahre hinter mir her, aber nicht im meiner Spur. Beobachte einfach wie ich es mache und konzentriere dich darauf das Gewicht zu verlangen und S-Kurven zu fahren. Carsten zog elegante Spuren in den Tiefschnee. Ich hatte allerdings Probleme damit, malte aber trotzdem halbwegs nette S-Kurven in den Schnee. Es war erstaunlich wie gut sich mein Motorschlitten durch den Tiefschnee wühlte. Die Sache mit der Gewichtsverlagerung funktionierte tatsächlich. - gespeichert
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Peter_Kamper
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Re: Yukon River mit Motorschlitten
(Antworten #28 Datum: März 7th, 2020 um 6:23:36am) |
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Ich erfreute mich meiner neu erworbenen Fähigkeiten so sehr, dass ich Carsten aus dem Blick verlor und eine Minute später plötzlich eine Reihe blauer Lichter vor mir aus dem Schnee stecken sah. “Was, wer … wieso… ”, schoss es mir durch den Kopf. Als ich mich umguckte, fand ich plötzlich heraus, dass dies anscheinend die Markierungslichter der Landebahn des Flughafens von Galena waren. Ach du lieber Himmel… Mehr oder weniger gekonnt bog ich nach links ab was mich unglücklicher Weise dann auch genau auf den Rand der Landebahn des Flughafens zusteuern lies. Ich guckte hoch um sicher zu machen, dass nicht grade ein Flugzeug landen würde und gab dann einfach Gas. An diesem Punkt wollte ich auf keinen Fall im Tiefschnee stecken bleiben. Somit fuhr ich also über die Landebahn zurück zu Carsten, der mir hektisch abwinkte. “Bist du verrückt?, meinte er als ich neben ihm zum Stehen kam. “’tschuldigung. Kommt nicht nochmal vor”, meinte ich. Meine innere Stimme machte seine eigene Bemerkung: ‘Kein Wunder, dass es nur hier keine einzige Motorschlittenspur im Schnee gibt’. Ich hatte die Landebahn wirklich nicht gesehen. Wer zum Teufel rechnet schon mit einem offiziellem Flughafen und einer Landebahn irgendwo im Tiefschnee? Ok, anscheinend hatte ich mich wohl nicht genau genug umgeguckt. Eine weitere Lehre.. ? “Weisst du welch hohe Strafe man für den Stunt bekommt, den du grade gemacht hast ?” Carsten guckte mich Kopfschütteln an:”Komm, lass uns hier ganz schnell abhauen…”. Dies beendete dann meinen kurzen Tiefschnee-Lehrgang.
Allerdings hatte ich vorher wirkliche keine Ahnung gehabt, wie kraftvoll Kelly’s und mein Motorschlitten waren und wie man diese im Tiefschnee lenkt. Trotz meines kläglichen Versinkens im Overflow Tage vorher war ich nun ein bisschen zuversichtlicher in Hinsicht auf unsere Rückfahrt ohne Carsten. Auch meine Gesichtsmaske, die Fellmütze und die Schutzbrille sassen besser. Dies war kein Vergleich zum Beginn unserer Reise in Nenana die mir im Geiste so erschien als wäre dies Wochen her. Nachdem wir zurück nach hause fuhren ging kurze Zeit später die Sonne unter.
Ich wusste von Herzen, dass ich das Dorf, die Gastfreundschaft und auch die Atmosphäre von Galena vermissen würde nachdem wir wieder abfahren würden. Nochmals ging ich in der Nachbarschaft herum und schoss einige Photos, die ein wenig erahnen liessen wie dort das Leben wohl im Sommer vor sich geht:
- Abends sassen wir wie am Vortag zusammen und hatten wie immer Spass. Carsten und ich spielten uns gegenseitig Musik von unseren Handys vor, die der andere erraten musste. Er erriet weder ‘Melinda’ oder ‘July Morning’ von Uriah Heep, die live Version von ‘Love to love you’ von UFO noch xxxney Rebel’s live Version von ’Sebastian’. Alle drei wahren für mich absolute Klassiker. Vier Lieder seiner Wahl später hatte ich aber auch keines seiner Lieder erraten. Wir hatten wohl einen sehr unterschiedlichen Musikgeschmack und mir viel auf, dass ich mit knapp 61 Jahren tatsächlich der Älteste in unserer Gruppe war. - Als wir ins Bett gingen wussten wir, dass dies für einige Zeit der letzte Abend war an dem wir gemeinsam zusammen sitzen würden. “Warum kommt ihr nicht mit nach Nome”, fragte Carsten. Das Angebot und sein Vertrauen in mich ehrte, aber bei diesen Temperaturen und während meiner ersten wahren Motorschlitten-Tour erschien mir der Weg doch ein bisschen lang. - Im Bett ging lag ich noch einige Zeit wach um mir den Trail zurück nach Nenana vor Augen zu halten. Eigentlich konnte nichts schief gehen. Ich hatte viel gelernt und ganz dumm war ich von Natur aus auch nicht. Abgesehen davon war dies nun mal etwas wofür wir uns entschieden hatten. Einen Rückzieher gab es nicht…. - gespeichert
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Habicht
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