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   2008 Eisbruch am Yukon River:
(Moderator: admin)
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   Autor  Beitrag: 2008 Eisbruch am Yukon River:  (Gelesen: 6034 mal)
 Peter_Kamper
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2008 Eisbruch am Yukon River:
( Datum: Mai 12th, 2008 um 5:43:55am)
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Sonntag, 11. Mai 2008
Waehrend in Deutschland schon die Kirsch- und Apfelbaeume bluehen, sind in Fairbanks/Alaska noch nicht einmal die ersten Blaetter an den Baeumen gesprossen.
Die Oberlaeufe der Bergflusse fuehren allerdings Hochwasser, waschen mit ihrer braunen Flut Baeume aus den halbgefrohrenen Uferbaenken tuermen und stuermen das einst stille Flusseis stapelweise in Schollen an den Kurven ihres Laufs.
Obwohl nachts noch Minusgrade herrschen koennen, sind die Tage mit einer hochstehenden Sonne und bis zu 20 C gesegnet.
Der laengste Tag des Sommers, der 21.Juni, ist nicht mehr weit entfernt und doch wehrt sich der Winter immer noch verbissen gegen den Sommer.
Oberlaeufe eines jeden Flusses brechen ihr Eis immer zuerst. Erst mit der aus den Bergen kommenden Flut bricht spaeter das Eis der tieferen und langsameren Unterlaeufe. So bricht auch der Yukon, der von hunderten von kleineren Zufluessen gespeist ist zuerst in Kanada auf, dann im alaskanischem Dorf Eagle, spaeter in Circle und Fort Yukon. Der Druck der entstehenden Tauflut und des gebrochenen Eises bewegt sich ueber mehr als 1600 km in Richtung Bering See.
Zu diesem Zeitpunkt ist der Yukon bis zur kleinen 'Indianer'- (native) Siedlung Beaver gebrochen und tuermt mit dem Schmelzwasser seiner Seitenflusse Barrieren aus Eisschollen, die seinen eigenen Wasserlauf stoppen koennen. In Circle City stieg das Wasser innerhalb von einer Stunde ueber 1.5 Meter und flutete niedrig liegende Haeuser. Kurz danach brach der Eisdamm und das Wasser unter dem entstehendem Druck und sackte innerhalb von 20 Minuten zurueck in sein Flussbett.

Ich habe vor 25 Jahren den Eisbruch des Churchil River im Norden der kanadischen Provinz Saskatchewan von einer kleinen Huette aus miterlebt. Das Geraeusch des Eises, wenn es vom Wasserdruck gesprengt wird, die brutale Gewalt mit der sich ganze Welten ueber Kilometer bewegen und der Winter seine Macht preisgibt sind mir immer noch in Erinnerung. Es war eines der Naturereignisse bei denen man einfach zuguckt und bei dem sich selbst das groesste menschliche Ego klein fuehlt. Ich trat damals unbewusst einen Schritt von der Uferbank zurueck.
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Meine Frau Kelly hat fuer fast 20 Jahre in Galena am Yukon River mehrere hundert Kilometer westlich von Fairbanks gelebt und besitzt dort ein Haus an der Uferbank des Yukon River. Obwohl wir schon recht lange verheiratet sind, habe ich das Haus nie besucht. Sie war selbst zum letzten Mal vor vier Jahren dort und ihre Kinder benutzen es, wenn sie Galena besuchen.
Allerdings kam mein unvergessliches Erlebnis des Eisbruchs am Churchil River diesen Winter auf, und Kelly meinte: "Du kannst dir ja mal angucken, wie der Yukon bricht. Wieso fliegen wir nicht einfach nach Galena ? "
Kelly hatte vier Kinder adoptiert, waehrend sie 20 Jahren im Dorf Galena lebte. Diese kamen von Muettern, die nicht in der Lage waren diese grosszuziehen. Sie wurde darauf hin schon vor langer Zeit ehrenhaft als 'Athabaskan' (ein in Alaska ansaessiger "Indianer"(native) Stamm) aufgenommen, da alle vier der adoptierten Kinder Athabaskaner sind:
Todd und Kyle sind inzwischen angesehene Vaeter, die aus mir unergruendlichen Gruenden das ueber 2000 km lange alaskanische 'Iron Dog' - Motorschlittenrennen fahren. Cassandra und Jolene, .... deren Geschichte wuerde mehrere Buecher fuellen und manche Kapitel sollten nicht vor dem Jahr 2150 veroeffentlicht werden.  Sie sind alle erwachsen.
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Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung worauf ich mich einlasse wenn ich Galena besuche, will aber am Ufer des Yukon River sitzen um mir den Eisbruch anzugucken.
Unser Flug ist fuer kommenden Mittwoch (16. Mai) gebucht, da die 'Elders' (alten/weisen Leute) des Dorfes den Bruch fuer das Ende der kommenden Woche vorhersagen. Schon jetzt drueckt der grosse Tanana River oberhalb von Galena Eisschollen in den Yukon, obwohl das Eis des Yukon immer noch bis zu 200 km oberhalb der Siedlung solide erscheint.
Alaska hat, wie kuerzlich in den Nachrichten erwaehnt wurde, eines der besten Kommunikationssysteme der Welt. Dies gilt allerdings nicht fuer neumodische Handys.
Soweit ich informiert bin, ist das Dorf mit 'wireless Internet' abgedeckt. In diesem Falle werde ich Zeit haben hier ein paar Photos und vielleicht sogar ein paar kurze Filme zu veroeffentlichen. Ich kann natuerlich keine Garantie ueber zeitmaessige Berichterstattung geben.
Und nun...., die Geschichte.
Ich habe wirklich keinerlei Ahnung, was passieren wird:

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 Peter_Kamper
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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #1 Datum: Mai 12th, 2008 um 11:48:06am)
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Galena war vor ca. 100 Jahren nichts anderes als ein Fischercamp, in dem Athabaskaner im Sommer Lachse fuer den Winterbedarf fingen. Es entwickelte sich erst vor 90 Jahren zu einem Dorf in dem Dampfschiffe anlegten um Holz aufzunehmen. Auch wurde dort damals eine Bleimine eroeffnet.
Der 'kalte Krieg' zwischen der UDSSR und der USA ging an Galena auch nicht ohne Wirkung vorbei. Ein erster Militaerflughafen wurde dort in 1947 gebaut.
Waehrend der Aera des US Presidenten Reagan wurde angenommen, dass Flugangriffe aus Sibieren auf die alaskanische Oelpipeline unternommen werden oder die Russen einfach versuchen wuerden in Alaska einzumarschieren. Alaskaner lachten daruber. Ein Land mit der fuenffachen Groesse der BRD und nur zwei Strassen einzunehmen, waere schwierig genug. 150.000 bewaffnete Familienvaeter und buscherfahrene Jaeger mit weitreichenden Jagdgewehren und Wissen ueber jeglichen Trail in ihrem Umkreis wuerde dies wohl noch etwas komplizierter machen. Die russische Invasion war ein in Alaska oft erwaehnter Witz in den 70iger und 80iger Jahren.
Im Nachhinein, mit der russischen Invasion Afgahnistans und dem Einmarsch der US in Irak erscheint der Witz nicht mehr so lustig....
Galena wurde als eine Startbahn fuer Luft-Abfangjaeger gegen eine russische Attacke gewaehlt. Man bildete weitere Startbahnen, Wohnungen fuer Soldaten und machte die Stadt weit groesser, als die Einwohner es wollten. Erst vor einigen Jahren wurde die Basis geschlossen und hinterliess ein Buschdorf mit riesigen Landebahnen, leerstehenden Wohnungskomplexen und einem Dorf, das nur gewachsen war weil das Militaer es so gewollt hatte.
Es gibt keine Strasse nach Galena. Eine solche Strasse wuerde Milliarden kosten. Allerdings gibt es taeglichen Flugverkehr mit 2-motorigen 12-24 sitzigen Flugzeugen zu dem Dorf mit ca. 900 Einwohnern. Falls mehr Gepaeck mitgenommen wird, werden Sitze abgeschraubt. Die Stewardess hilft nur im Notfall und der Pilot sagt im Winter: " Macht's euch gemuetlich. Sobald ich die Motoren anschmeisse wird's warm hier drinnen."
Es ist alles sehr einfach.
Im Winter bei hohen Minusgraden ist es fuer viele Einwohner des Dorfes recht ueblich mit Motorschlitten den Yukon bis zum Tanana River, dann den Tanana River bis nach Nenana am Parks Highway hoch zu fahren um sich den Flug zu sparen. Ich habe Leute des oeffteren gefragt, wie sie dies durchhalten und immer Blicke bekommen, die besagten:" Habe nie rueber nachgedacht. Ist das eine Trick-Frage ??".
Im Sommer wird diese Strecke von Bewohnern des Dorfes auch recht oft mit Motorbooten befahren. Was manchen von uns als ein unglaubliches Abenteuer erscheint, ist fuer viele Leute in Galena eine eher eintoenige lange Fahrt 'zur Strasse'. Natuerlich laesst sich im Augenblick weder Motorschlitten noch Boot benutzen. Es gibt Leute, die samt Motorschlitten .... oder Boot.... spurlos verschwinden.
Obwohl die Doerfer entlang des Yukon weit auseinanderliegen, sind sie eng miteinander verknuepft. Suchen nach verschollenen Leuten koennen sich ueber mehr als 200 km entlang des Flusslaufes ausdehnen und werden manchmal erst nach Monaten aufgegeben. Die Einheit der Doerfer in solch einer Suche ist ein Zeichen tiefer Verbundenheit die anderswo selten zu finden ist.
Der Koerper eines jungen Mannes aus Fort Yukon wurde in 2006 erst nach einer 6-woechigen Suche gefunden. Mehr als 50 Boote und 400 Leute nahmen an der Suche teil.
Fast jede Familie besitzt ein Boot und zumindest einen Motorschlitten. Es ist  nicht unueblich, sich bei -30 C auf einen Motorschlitten zu schwingen oder in einer hellen Mittsommernacht in ein Boot zu setzen um knappe 45 km bis ins naechstliegende Dorf Koyukuk oder 75 km bis nach Ruby zu fahren um Bekannte oder oft sogar Verwandte zu treffen.
Tourismus gibt es dort draussen fast keinen, aber die Jagd ist im allgemeinen recht gut.
Im Herbst kommen die Karibous aus dem Norden entlang des Koyukuk River bis fast an den Yukon und es gibt viele Elche. Auch liefert der Yukon reichlich Lachse, von denen manche bis nach Whitehorse in den Yukon Territories schwimmen wollen und einen sehr grossen Fettanteil in ihrem Fleisch tragen.
Wenn wir 'Steak' sagen und an Rind denken, ist die Frage in Galena: "Elch oder Karibou ?"

Das Dorf Galena ist in 'Old Town' und dem 2 km entferntem 'NewTown' unterteilt.
Nach einer Flut in 1945 wurden viele Haeuser entlang der Uferbank des Yukon River in 'Old Town' weggewaschen. Nach einer weiteren Flut in 1972 .... mit Geldern des Staates Alaska und im Interesse des Militaers.... wurden die meisten offiziellen Gebaeude auf eine Anhoehe verlegt. Dort befinden sich die heutigen Schulen, das Hospital sowie einige Sportanlagen, Haeuser und Geschaefte.

Kelly's Haus liegt in 'Old Town', dem urspruenglichem Dorfplatz, satt und breit an der Uferbank des Yukon. Ihr Haus wurde lange nach der 1972 Flut gebaut.
Wollen wir mal hoffen, dass diese Geschichte nicht spannender wird als ich urspruenglich geplant hatte.....

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 Peter_Kamper
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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #2 Datum: Mai 12th, 2008 um 11:50:04am)
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Ein wirklich hervorragender Artikel ueber die 1972 Flut des Yukon River in Galena laesst sich uebrigens hier in englisch finden:  
http://www.aliciapatterson.org/APF001972/Morgan/Morgan06/Morgan06.html  

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 Peter_Kamper
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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #3 Datum: Mai 15th, 2008 um 5:44:30am)
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Kann leider hier doch nicht schreiben, werde aber was hochladen sobald ich wieder zu hause bin. Sorry,
Peter

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 Stefan
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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #4 Datum: Mai 15th, 2008 um 6:01:43pm)
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Hallo Peter,
Im New Town in der Bücherei war es 2001 möglich.

mfg


Stefan

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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #5 Datum: Mai 19th, 2008 um 9:43:42am)
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Hallo Stefan,
die Buecherei ist drei Tage per Woche offen, aber ich habe den Tip von keinem bekommen, danke dir trotzdem. Konnte die Nachricht erst wieder zu hause lesen....
Allerdings habe ich waehrend meines Aufenthaltes dort ein bischen geschrieben. Hier nun also die Geschichte.
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Ankunft in Galena:

Der Yukon und ich haben immer eine schlechte Beziehung zueinander gehabt, und diese ueber mehr als 20 Jahre geflegt.
Waehrend ich denke, das er mir zu sandig ist, denkt er, dass ich ein verwoehnter Bergfluessler bin, der so viel Wasser einfach nicht handhaben kann.
Obwohl ich oft bekundige, dass der Yukon in Alaska nach Eagle City so langweilig ist, dass er am besten mit einer Flasche Whiskey schlafend  und treibend genossen werden sollte, konnten sich mein Partner und ich nach einem aufkommenden Sturmes nur mit Muehe und Not auf eine  Insel retten, auf der ich fuer drei Tage Schach spielte und oft verlor….. in Regen und Sturm.
Wir sassen zwischen hohen Tannen und einem rauchigem Feuer, das sich eher zur geschmackvollen Raeucherung als zum Trocknen von Kleidung eignete.
Es erscheint mir also in keinster Hinsicht erstaunlich, dass der Yukon entgegen jeglicher Vorhersagen kurz vor meiner Ankunft in Galena seinen Eisbruch absolvierte.
Ich war natuerlich etwas entaeuscht, da ich doch hoehren wollte, wie das Eis brach.

Nachdem ich einflog, fragte ich einen aelteren Athabaskaner, der mir am Ufer des Yukon  eher belustigt beim filmen zuguckte: “Wie hoehrt es sich eigendlich an, wenn der Fluss bricht ?”
Er zuckte mit den Schultern:” Ich bin hier aufgewachsen und frueher ist das Eis in riesige Stuecke zersprungen. Da hat man noch was gehoehrt. Dieses Jahr ist das Eis ganz einfach abgetrieben.”
Er fuegte hinzu:” Siehst du die Insel da drueben ?” Er deute auf eine 800 Meter entfernte Insel. “Frueher haben sich da drueben Eisschollem um diese Jahreszeit getuermt. Sowas haben wir allerdings seit Mitte der 90iger Jahre nicht mehr gesehen.”
Es war ein wunderschoener Morgen und der alte Herr trug ein Hemd, Jeans und eine eher teuer aussehende Sonnenbrille Mit einem Blick auf das Treibeis, das an uns vorbei trieb fuegte er hinzu: “Guck dir das Eis genauer an. Es ist weich, und das ist auch der Grund wieso es so frueh gebrochen ist. Es ist diesen Winter nie hart gefrohren.”
Er stand fuer eine Weile neben mir. Ich wusste nicht viel zu fragen und filmte den Fluss. Immerhin ist mir seit langer Zeit klar, dass ich nicht zum Journalismus gebohren wurde. Ich habe nur Spass am schreiben….
Nach laengerer Stille – die allerdings nicht unangenehm erschien – meinte ich trotzdem:
“Und was macht ihr, wen eine Flut kommt ?”
Der Herr, den ich ueberer 60 Jahre alt schaetzte, zuckte mit den Schultern:” Wir bereiten uns jedes Fruehjahr darauf vor.”
Wir standen an einer recht steilen fast fuenf Meter hohen Uferbank waehrend das Eis an uns vorbei trieb.. Auf die Uferboeschung und das darunter vorbeitreibende Eis deutend meinte er: “Wir haben lange keine wirkliche Flut mehr gehabt. Siehst du die Weiden, die hier an der Boeschung wachsen ?” – Ja….”, meinte ich.
Er sagte nichts dazu.
Ich guckte mir das Weidengestruepp etwas genauer an. Manche der Straeucher liessen sich auf ein Alter von zumindest 5 Jahren schaetzen, und ploetzlich verstand ich seinen Kommentar. Waere die Fruehjahrsflut in den letzten Jahren weiter gestiegen, haetten die Eisschollen die jungen Weiden aus der Uferbank gerissen.
“Ah”, meinte ich wie ein junger Sherlock Holmes, der grade eben seine Begabung entdeckt hat: “Ich verstehe…. !”.
Der Herr erschien recht unberuehrt ueber meine Erkenntnis. “Glaub’ mir”, sagte er nach weiterer Stille: “Ich lebe hier seit meiner Kindheit, und dies sind die aeltesten Weidenbuesche, die ich je an dieser Aussenkurve des Yukon gesehen habe. Die globale Erwaermung ist Realitaet.” Ich guckte gedankenverloren auf das vorbeitreibende Eis.
Er verabschiedete sich ohne viele weitere Worte und ich bin etwas erstaunt, dass auch er, wie viele Alaskaner, die globale Erwaermung erwaehnt.
Bei genauerem Hinsehen sah das Eis wirklich recht bruechig aus. War es wirklich nie richtig eingefrohren ?
Spaeter fuhr ich aus der kleine Stadt und sah die Barracken der US Army. Milliarden von Dollar sind hier verbaut worden und vier-stoeckige Wohngebaeude liegen hinter einem Deich, der den Fruehjahrsfluten des Yukon gerecht werden soll. Die Gebaeude stehen im krassen Gegensatz zum eigendlichen Dorf Galena.

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 Peter_Kamper
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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #6 Datum: Mai 19th, 2008 um 10:07:01am)
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Metallgebaeude mit asphaltierten Strassen deren Breite sonst nur in ernsthaft zivilisierten Gegenden zu finden sind treffen auf die Kiesstrassen des Dorfes. Riesige Lagertuerme fuer Benzin und Diesel erheben sich vor den einsamen und immer noch unbewohnten Huegeln im Hintergrund neben einer Radaranlage, die Millionen gekostet haben muss.
All dies ist von einem grossen Deich umgeben.  Auf der anderen Seite des Deiches am Fluss und entlang des Yukon liegen die Haeuser der meisten Einwohner des Dorfes. Wunderschoene Haeuser,Wohnbuden und alte Blockhuetten, die manchmal noch als Garagen benutzt werden aber ansonsten vergessen erscheinen. Es ist eine Mixtur des neuen Oel-Reichtums Alaskas und vieler Geschichten aus vergangenen Zeiten…..
Selbst auf dem Grundstueck meiner Frau stehen zwei Blockhuetten und da ich sie zum ersten Mal sehe frage ich empoert, wieso man diese nicht renoviert. “Die sind nicht zu retten, vergess das mal. Sie sollten einfach mit einer Raupe in den Yukon River geschoben werden. Das ist hier so ueblich.” Der Yukon River ist nur 20 Meter entfernt und andere Leute aus dem Dorf stimmten ihr spaeter zu.
Natuerlich gehe ich trotzdem rueber in die zwei Huetten. In einer der Gebaeude ist der Dachstamm schon eingesackt und voellig verrottet. Die Boeden bestehen aus Erde. Mit etwas Scharren finde ich am Boden einer Huette verrottetet Holz, das auf einen Boden deutet. Eine 50jaehrige Dame erzaehlt mir spaeter, dass sie in dieser Huette aufgewachsen ist. "Fuer uns war diese Huette damals gross", meinte sie.
Da ich gerne und recht oft mit Holz arbeite, suche ich nach Schnitten von Zimmermaennern, deren damalige Kunst die meinige weit uebersteigt. Ich versuche etwas zu lernen, waehrend meine Augen die Schnitte derer absuchen, die vor langer Zeit solch wirklich schoene Huetten bauten. Draussen, 20 Meter entfernt, gleitet das gebrochene Eis des Yukon auf dem Weg zur Bering See vorbei.
Die alten Huetten im Dorf und deren Zustand stimmen mich etwas traurig, aber die Sonne beleuchtet ein gigantisches Schauspiel aus Eis, Wasser und schneebedeckten Bergen. Ich setze mich wieder an die Uferboeschung.
Der Yukon fliesst schnell und schaufelt Eisschollen an mir vorbei. Waehrend ich am Ufer sitze und dem Eis zugucke kommt eine Indianerin vorbei, guckt auf das schnell stroemende Eis und meint: “Ich habe grade gehoehrt, dass das Eis in Kaltag gebrochen ist..” Sie laechelt und ich laechele zurueck.
Wenn das Eis unterhalb Galenas am Dorf Kaltag bricht, gibt es sicherlich keine Fruehjahrs-Flut in Galena.
Ich nicke: "Gut !" Sie laechelt zurueck um die Nachricht weiter zu verbreiten obwohl dies auch ueber den einzigen in Galena erhaeltlichen Kurzwellensender getan wird. Ohne viele weitere Worte geht sie weiter.
An meinem ersten Tag in dieser Buschstadt finde ich es erstaunlich wie kurz angebunden und gleichzeitig offen Leute sind.
Der Fluss ist von Ufer zu Ufer mit schnell treibenden Eisschollen bedeckt. Ich hatte riesige Schollen erwartet, sehe mich allerdings meist treibenden Kloetzen gegenueber. Die groesste Scholle misst ungefaehr 20 Meter im Durchmesser.
Nachmittags schleppen ein aelterer Mann und sein Sohn einen Bootsmotor zum Fluss.
Ich nehme meine Videokamera nicht mit, (ich hasse es, jedem das Ding ins Gesicht zu halten…) bin ich viel zu neugierig um mir die Frage zu verkneifen wieso die beiden sich mit dem Motor abmuehen.
Der aeltere Herr meint mit einem kurzem Seitenblick: “ …..weil ich fischen und jagen gehen will.”- Ah,” meine ich, “haelt so ein Motor wirklich bei all dem Eis durch ? Das zerschlaegt doch den Propeller, oder ?”-
Ich bin ja nicht dumm und habe fast immer eine intelligente Frage auf Lager, oder zumindest eine, die fuer mich so klingt.
“Wenn das Eis bricht “, erklaerte der alte Herr, “dann dauert es nur zwei bis drei Tage, bis wir Boote benutzen koennen, denn dann ist das Eis weg..”
Am Nachmittag fuhr ich  mit meiner Frau eine alte Militaerstrasse Richtung Osten um ein paar gute Video-Eindruecke vom treibenden Eis auf dem Yukon zu schiessen. “Da gibt es einen ganz tollen Platz !”, wurde mir versichert.
Auf dem Weg raus wunderte ich mich, wieviel Geld es gekostet hat diese Militaerstrasse zu bauen und warum man sie gebaut hat. Keiner lebte dort und auch diese Radarstation ist inzwischen stillgelegt worden.
Anscheinend handelte es sich damals um den naechst hoechsten Berg und eine weitere Radar Station, die gegen feindliche Flugangriffe sichern sollte.
Entlang der Strasse fand ich mehrere Warnschilder und Haufen von grossen Steinbloecken an der Flusseite der Strasse. Fuer mich sah dies alles genauso harmlos aus wie der unter der Halde vorbeitreibende Fluss. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, dass die Eischollen und das Schmelzwasser des Yukon den mit Warnschildern abgesteckten Teil der Strasse weniger als 24 Stunden spaeter zum Einbruch bringen wuerden.

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 Peter_Kamper
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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #7 Datum: Mai 19th, 2008 um 10:36:41am)
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Am Zielpunkt unserer Fahrt befand sich ein Kliff von dem man den Yukon River von einer recht angenehmen Hoehe aus betrachten konnte. Das von Osten treibende Eis breitete sich unter uns aus und trieb nach Westen weg, waehrend die Sonne unter leicht bewoelktem Himmel im Suedwesten stand..
Man sass ungefaehr 30 Meter ueber dem Geschehniss und erst da wurde mir die Kraft des fast 500 Meter breiten Stromes wirklich klar.
Allerdings parkte dort schon ein Auto, oder besser gesagt ein wohlausgeruestere Truck. Davor standen fuenf  Jungs die selbst den Yukon bewunderten und wohl aus reinem Tabakmangel versuchten eine einzige selbstgedrehte Zigarette zu fuenft zu rauchen.
“Ah,…. mit denen willst du nichts zu tuen haben”, meinte meine bessere Haelfte. Dieser Platz ist anscheinend besetzt”, …und somit stieg ich aus unserem geliehenem Truck.
Es wahr ehrlich gesagt ein einsamer Platz, aber immerhin die beste Moeglichkeit den Fluss zu beobachten.  
Ein Friedenszeichen und meine Benehmen haben mir zugegebener Massen in drei Kontinenten ueber knappe 30 Jahre geholfen. Abgesehen davon habe ich den Vorteil meines deutschen Akzents und die Gabe mich voellig dumm zu stellen. Irgendjemand stieg recht schnell mit der Zigarette in den Truck der Jungs ein, kehrte aber kurzentschlossen zueureck als ich mich als harmlos entpuppte.
Ich stand mit den Teenagern aus Galena fuer ein paar Minuten zusammen, und wir unterhielten uns.
Da der Schnee fast weg war, gab es keine Moeglichkeit fuer sie mit den ueblichen Motorschlitten zu fahren von dem jeder anscheinend ein eher neues Modell besass. Zwei der Jungs hatten Freundinnen im 45 Meilen entferntem Dorf Koyukuk, das sich mit einem Motorschlitten in einer Stunde leicht erreichen laesst. Es wurde diskutiert, wie lange die jungen Liebhaber nun warten mussten um ihre Freundinnen mit einem Motorboot zu erreichen, da Fluege zwar bebucht werden koennen aber recht teuer sind. “In vier Tagen ist der Hauptkanal frei”, meinte einer Gruppe. “Drei Tage….”, meinte ein anderer. “Ich will sie zum Wochenende sehen.” – “…. "Aber dann seh mal zu, dass du frueh morgens los faehst und die Sonne im Ruecken hast, denn das Ankereis ist dann immer noch unterwegs.”- “Du glaubst doch wohl nicht, dass dein Vater dir das Boot geben wird”, wendet ein Anderer ein.
Ankereis ist das fast schwarze mit Schlamm durchtriebene Ufereis, das durch den Eisbruch jedes Jahr mitgerissen wird. Es erhebt sich auf Grund seines Sand und Lehmgehaltes kaum aus dem Wasser und ist auf Grund seiner Farbe recht schwierig von einem Boot aus zu sichten.
Es entseht eine kurze Diskussion, in der entschieden wird, dass die Dame in Kuyukuk das vaeterliche Boot und Tod durch Ertrinken eigendlich nicht wert ist. Die Meinungen sind allerdings geteilt und die Argumente warden ploetzlich unterbrochen, als der Ruf der Kraniche in unsere Ohren dringt. Wie auf Kommando blicken wir alle suchend nach oben. Einer der Jungs hebt seine Hand: “Da…., da sind sie.”
Hoch oben, zwischen weissen Wolken und blauem Himmel zeichnete sich die Keilformation der Kraniche ab.
Die Schar flog sehr hoch. Es war eine Reiseformation und Flughoehe, die typischer Weise auf einen langen Reisetag hindeute. "Westliche Brooks Range", meinte ein Jugendlicher.
Ich guckte auf die Jungs um mich, die das Land mit ihrer fruehlingshaften Ignoranz und Selbstverstaendlichkeit genossen, wieder hoch auf den Flug der Kraniche und dann hinunter auf den Yukon, der erwacht war und sich grade das Eis aus dem Fell schuettelte. Die Sonne schien. Jemand packte den Uberrest der Zigarrette sorgsam in ein Filmdoeschen. "In drei Tagen ist das Eis weg", meinte jemand mit einem Blick auf den Yukon. Das Eis hatte sich seit dem Morgen sichtlich gelichtet.

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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #8 Datum: Mai 19th, 2008 um 11:53:36am)
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Noch war kein einziger Grasshalm gesprossen und alle Laubbaeume warteten misstrauisch auf den letzen Frost. In weiter Ferne hingen dunkle Wolken vor schneebedeckten Huegeln. Die vor den Bergen herabfallenden Regenschleier eines ersten halbherzigen Gewittersturms liessen den Sommer erahnen. Die Luft roch nach Moos, Fluss und erwachendem Leben. Ich verabschiedete mich. "Good luck on your trip to Koyukuk", meinte ich. - "Cool, take care."
Meine bessere Haelfte, die im Auto gewartet hatte erschien erleichtert, als ich ungeschohren zurueck kam. “Du gehst in Buschdoerfern 5 km ausserhalb des Dorfes nicht einfach auf 5 Jugendliche zu”, meinte sie strafend.
“Die waren doch harmlos”, meinte ich.  – “Ok, und wenn sie alle Kokain geraucht haben und beim zweiten Kasten Bier sind ?” Ich zoegere einen Augenblick. “Das haette ich gemerkt. Gibt’s sowas hier ?” Sie laechelt mich zynisch an und rollt die Augen hoch. Sie erschien weit aergerlicher als die Bande am Fluss, aber es erschien fehl am Platze dies zu erwaehnen.

Naja, …ich hatte auf jeden Fall Spass und in der Zigarette, die die Jungs rauchten war sicherlich kein Kokain. Wie ich spaeter erfuhr sind Drogen allerdings ein ernsthaftes Problem in den Buschdoerfern. Allerdings sah ich davon in meiner Zeit in Galena weit weniger als z.B. in Fort Yukon vor langen Jahren.
Auf der Rueckfahrt nach Galena fuhren wir wieder an mit Felsbrocken und Warntafeln gesicherten Kiesstrassenabschnitten vorbei. Ich genoss die Fahrt und haette nie vermutet, dass der Yukon in den naechsten 36 Stunden wie schon erwaehnt ueber 300 Meter der Strasse auswaschen wuerde. Es ist erstaunlich, wie blind man manchmal sein kann oder wie leicht sich die Kraft des Yukon unterschaetzen laesst.
Ein Elch stand wenige Meter vom Strassenrand und kaute in der Abendsonne am Weidengestruepp. Kurz danach bogen wir um eine Kurve und ploetzlich lagen wieder die riesigen Gebaeude der Galena Airforce Basis mit der uebergrossen Landebahn vor mir.
Als wir nach hause kamen, heulten ein paar angekettete Hunde in der Nachbarschaft. Ansonsten herrschte bis auf das Zischen des treibenden Eises Stille.
=======================
2.Tag
Der zweite Tag weckte mich durch ein Fenster ohne Vorhaenge mit einer ueber dem Yukon River aufgehenden Sonne die gegen vier Uhr morgens in den seichten Huegeln im Nordosten auftauchte. Ich schlief bis 10 Uhr, da ich die Nacht ueber den obrigen Teil der Geschichte schrieb.
Galena ist ein sehr eng verknuepftes Dorf, und jeder wusste schon gegen Mittag, dass meine Frau zurueckgekehrt war. Das alaskanische Dorfleben hat die Nuancen eines Wolfrudels, oder zumindest ist die dortige Politk besser zu verstehen wenn man sich solch ein Bild vor Augen haelt. Ich stellte mich nett vor und zeigte Achtung fuer die Leute, die vorbeikamen. Meine eigene Kraft zeigte ich nur in einem festen Haendedruck, indem ich in Augen guckte (nicht zu lang und nicht zu kurz) und indem ich aufmerksam zuhoehrte. Immerhin war ich Gast und hatte ehrlich gesagt Freude am zuhoehren.
Eine Dame brachte einen ausgetrocknen Fischschwanz vorbei.
Eine alte und im allgemein als boese angesehene 'Medizinfrau' war vor kurzer Zeit gestorben. Wir nagelten den Fischschwanz neben die Tuer. Jeder indianische Einwohner des Dorfes (nicht das Militaer) bedurften diesen Schutz, der boese Geister fern hielt. Die alte und nun verstorbene Frau war 'boese', und man fuerchtete ihren Fluch. Der Fischschwanz war notwendig. Ohne weitere Fragen wurde der Fischschwanz neben die Tuer genagelt. Allerdings hing dort schon eine Plastiktuete, die wir am Vorabend nicht bemerkt hatten. Die Plastiktuete enthielt ebenfalls einen Fischschwanz. Jemand hatte diesen wohl im Winter am verlassenen Haus vorbeigebracht.
Nach einigen Diskussionen zwischen Indianern am Tisch kam auch die Tatsache auf, dass Menschen am Fluss innerhalb von Monaten immer "zu dritt" sterben. Vaeter, Soehne, Toechter, Neffen. " Geister nehmen immer jemand anderen mit", meinte eine weitere alte Dame. "Immer..., und wir muessen uns dagegen wehren um es zu verhindern."
Ich wand ein: "Wieso ?" - Sie guckte mich an: "Wir Indianer (Natives, in diesem Falle Athabaskaner) sind sehr spirituell veranlagt." Ich unterbrach: "Wieso wuerde ich zwei Seelen mit mir nehmen, wenn ich sterbe ? Ich selbst habe keinerlei Interesse, sowas zu tuen. Wieso wuerde jemand sowas tuen ?"
Die alte Dame guckte mir nur in die Augen. Als ich den Blick erwiederte, fand ich allerdings mehr Tiefe in ihren Augen als ich fassen konnte waehrend sich ein eher muetterliches Laecheln auf ihren Lippen ausbreitete. "Das ist gut", meinte sie.
Sonntags geht fast jeder zur Kirche, aber die Welt der alten Geister wird in Galena sowie in den meisten Indianerdoerfern sehr geachtet.


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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #9 Datum: Mai 19th, 2008 um 2:20:42pm)
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Wer die Geduld hat sich das 4-minuetige Video der ersten zwei Tage in Galena herunterzuladen kann dies hier tuen:   
http://www.youtube.com/watch?v=HNifn4yuJxk  
Es zeigt den Flug von Fairbanks nach Galena, den oberen und schon eisfreihen Yukon im Oberlauf (Ruby) sowie den ersten  zweiten Tag am Ufer in Galena.
Das 'Movie' sollte viel laenger sein, aber weder will ich gigantische Dateien hochladen noch kann ich die ganze Sache geniessen, wenn ich die ganze Zeit eine Kamera vor dem Auge habe.....
Ich werde in den kommenden Tagen weiter berichten und hier auch ein paar Photos in die Geschichte einfuegen.
Viel Spass,
Peter

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Letzte Änderung: Peter_Kamper - Mai 23rd, 2008 um 7:40:11am
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Ragnar
     

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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #10 Datum: Mai 20th, 2008 um 2:38:27am)
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Danke Peter fuer deine Berichte.
Es ist eigentlich schon fast egal ueber was du schreibst - es macht einfach Spass 'es' zu lesen!

ragnar

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https://www.nord-amerika.de
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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #11 Datum: Mai 21st, 2008 um 12:19:27pm)
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3.Tag in Galena:
Das Wetter ist fuer den alaskanischen Fuehling eher typisch.
Sonne und blauer, strahlender Himmel erwarten mich. Am Nachmittag bauen sich allerdings Amboss-Wolken auf, die zu dieser Jahreszeit nie zu einem Gewitter fuehren aber trotzdem betraechtliche Regenschauer mit sich bringen koennen.
In den fernen, immer noch schneebedeckten Bergen regnet es schon um die Mittagszeit. Die fallenden Regenschleier sind vom Dorf aus sichtbar.
Der Fluss traegt fast kein Eis mehr. Die von Ufer zu Ufer reichende Eismasse, die am Vortag noch endlos aussah hat sich ausgelichtet und treibt nun nur noch an der Nordbank des Yukon entlang. Im Kurzwellen-Radio wird bekannt gegeben, dass eine Flutentwarnung fuer Doerfer bis zu 300 km unterhalb ausgegeben werden.
Unter dem steilen 3 Meter hohen Ufer wird das Flussbett sichtbar waehrend das Wasser um mehr als einen Meter absinkt. Fuer mich ist es ehrlich gesagt erstaunlich, wie schnell der Fluss sich vom Eis reinigt.
An der Bootsanlegestelle sind mehrere Motorboote in Hochbetrieb. Leute fangen mit der Flut treibende Staemme auf dem Yukon fuer Feuerholz ein. Diese Staemme werden vom hohen Ufer aus gesichtet und dann geht eine erfahrene Crew mit einem starkem Motorboot auf 'Holzfang'.
Dieses wird dann mit einem Seil eingefangen, mit 'Trucks' die Uferboeschung hochgezogen und mit Kettensaegen zerteilt. Da der Heizoelpreis staetig steigt und sich in Galena ueber das letzte Jahr fast verdoppelte da Bensin und Heizoel eingeflogen werden muessen, ist Feuerholz sehr gefragt. Die Jagd nach gutem Treibholz begann sobald Boote durch das Eis navigieren konnten. Nur waehrend der Eisflut oder starkem Regen hebt sich der Yukon aus seinem Bett und traegt grosse Staemme mit sich. Die Fruehjahrflut, die ich als ein eher romantisches Geschehniss betrachtete entpuppte sich als eine 'Feuerholz-Jagd' fuer die Einwohner der Stadt.
Was an den Strassen waechst ist lange abgeholzt ocer darf nicht geschlagen werden.
Am Nachmittag kommt eines der zu Wasser gelassenen Boote auch mit 6 der grade angekommenen Gaense zurueck. Sie werden sofort gerupft. In Buschdoerfern ist die Jagd auf Gaense, Kraniche und Enten bis zum 1. Juni erlaubt. Mehre weitere Boote gehen noch vor dem Abend auf Jagd.
Jemand klopft an Kelly's Haustuer und gibt ihr eine sauber gerupfte und ausgenommene Wildgans. Es ist ein Geschenk.
Ich halte mich zurueck, da ich wirklich nur ein Besucher bin.
Es ist voellig klar, dass die Gans nicht fuer mich gerupft wurde. Kelly bedankt sich mit kurzen Worten.
Wieder faellt mit auf, dass ehrliche Kommunikation keiner langen Worte bedarf.
Wir verpacken die Gans und stecken sie in die Tiefkuehltruhe. Fuer mich sieht sie von der Groesse her eher wie eine Ente aus. Allerdigs fehlt all das Fett, dass man an den gekauften Gaensen findet. Ich frage die Jaegerin Paula:" Sind die Gaense nicht leckerer, nachdem sie hier den ganzen Sommer Futter aufgenommen haben ?" Sie runzelt die Stirn: "Unten in den suedlichen Gegenden fressen sie Getreide und Mais. Hier oben fressen sie was immer sie im Wasser finden. Glaub mir, sie schmecken im Frehjahr weit besser... und haben weniger Fett." Mit dem Wort 'Fett' ruenft sie die Nase.
Sie ist in Galena aufgewachsen.
Die kleine Wildgans sieht koestlich aus.

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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #12 Datum: Mai 22nd, 2008 um 3:38:29pm)
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Hallo Alter,

tolle Geschichte. Wie immer. Ich habe auch deinen Bericht vom Quest täglich verfolgt. Irgendwann komme ich rüber und dann mache ich aus deinen Geschichten ein Buch.

Aber was anderes: Ich wollte mir den oben erwähnten Film laden, aber die Seite geht nicht auf und ein Problem kann mein Computer auch nicht finden. Was mache ich falsch? Oder kannst du mir den Film per e-mail schicken.

Liebe Grüße auch an die Familie

Andy

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 Peter_Kamper
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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #13 Datum: Mai 23rd, 2008 um 8:45:47am)
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Ich konnte das Movie selbst nicht so richtig abrufen und habe es jetzt auf You-Tube verlegt und den obrig genannten Link dementsprechend veraendert. Es sollte jetzt gut zu sehen sein. (An Andy: Alter, deine E-Mail Adresse funktioniert nicht mehr. Ruf mich doch mal bitte an !!)
================
Weiter mit der Geschichte:
Abends sitze ich wieder mal am Ufer des Yukon und gucke gedankenverloren den letztem Eis zu, das sich von Osten Richtung Bering See bewegt.
In sechs Wochen werden die ersten Lachse in Galena auftauchen und viele Familien haben Netze, von denen manche noch repariert werden muessen. Eine vereinzelte Eisscholle dreht sich unter meinem Sitzplatz an der steilen Uferboeschung, waehrend ich die Beine baumeln lasse.
"Hey..!!", ... der Ton des Rufes war eher scharf und riss mich aus meinen romantischen Gedanken. "Was zum Teufel machst du an meinem Flussufer ?"
Es war Abend und er kam von flussabwaerts, direkt aus der tief stehenden Sonne. Aus fast 40 Meter Entfernung war die Gestalt im Gegenlicht kaum zu erkennen. Der Herr ging in bewussten und gleichmaessigen Schritten auf mich zu als ich aufstand.
"Ich bin seit drei Tagen hier und gucke mir grade das Eis an.", meinte ich freundlich ueber die Entfernung hinweg als ich aufstand.
Als er naeher kam und sich aus dem Licht der untergehenden Sonne bewegte, sah ich einen ungefaehr 50 jaehrigen Mann, 1.75 m, mit scharfen Augen, vielen Falten, ohne jegliches Fett, schwarzen Haaren und einem sehigem Koerper.
Er antwortete auf eher brummige und laute Art: "Ja, und ich bin seit 48 Jahren hier ! "
"Sie sind mit einem wunderschoenem Land gesegnet", antwortete ich sanft." Er nickte. "Ja....", meinte er gedankenverloren mit einem Blick ueber den breiten Fluss auf dem die letzten Eisschollen vorbeitrieben. Dann wieder schaerfer auf mich: "Und was machst du hier ?"
Aus eigenen Erfahrungen mit den Indianern der Doerfer habe ich immer wieder festgestellt, dass manche sich bewusst eher energisch und aergerlich geben. Solange man sich aber selbst auch sicher und vor allem hoeflich zeigt, auf die Gebaehrden nicht eingeht und sich mit Namen vorstellt sowie etwas Respekt fuer ihr Land zeigt, sind solche Begegnungen eher interessant.
"Oh, ich sollte mich vorstellen. Peter. Ich bin der Ehemann von Kelly Malamute." Ich streckte meine Hand aus, die er etwas verdutzt nahm. "Und wo ist Kelly", meinte er sich umguckend. Sie war im Haus, und .... obwohl dies wenig zur Sache tat... stand er auf ihrem Grundstueck.
George Crow ist, so erfuhr ich spaeter, ein im Dorf sehr anerkannter Fischer und Jaeger. Als ich ihn traf war er zu Fuss auf dem Weg um auf seine Enkelkinder aufzupassen.
"Du hast George getroffen ?" , meinte eine Dame spaeter zu mir: "George ist verrueckt. Letzten Winter ist er eines Nachts mit nacktem Oberkoerper raus ins Eis auf dem Yukon gegegangen und hat die halbe Nacht dort alte athabaskanische Lieder gesungen."
Ich fragte, ob man ihn zurueck nach hause gebracht haette damit er nicht erfriert.
Die Dame zog die Brauen hoch: "Oh nein, .... wenn George sowas macht, darf man ihn nicht belaestigen." Sie schien dies ernst zu meinen. Irrgendwie hoehrte es sich so an als wuerde man mit unerwarteten Problemen rechnen muessen, wenn man soetwas taete, speziell wenn George nicht voellig nuechtern waere. Trotzdem wurde seine Namen nur mit Respekt ausgesprochen.

Spaeter am Abend war es dann soweit. Die lange Strasse zu den Sand und Lehmkliffen, die ich mir vorher angeguckt hatte war schlussendlich vom Yukon unterhoehlt worden und eingebrochen. Das groesste Problem war, dass diese auch zur weit ausserhalb der Stadt liegenden Muellhalde fuehrte und man mit 900 Einwohnern diese braucht.
Die Strasse sollte nach Schaetzungen innerhalb von 10 Tagen repariert werden, da der Yukon nun schnell sank. Wer sich das Movie auf You-Tube anguckt, sieht diesen Teil der Strasse mit angeschuetteten Felsbloecken am Strassenrand. Anscheinend sollten diese mit der Strasse in den Fluss fallen um spaetere Arbeiten zu erleichtern. Man hatte also mit dem Verfall der Strasse gerechnet...
Am heutigem Tag fiel der Yukon um einen Meter. Nun kam aber die Frage auf, wo man den Muell unterbringen wuerde waehrend die Strasse zur Muellhalde repariert wurde. Die Stadtbehoerde suchte nach grossen Kontainern.
Insgesamt erschien allerdings jeder mit der Gesamtsituation zufrieden. Wenn die Fruehjahrsflut nur eine ausserhalb des Dorfes liegende Strasse geschaedigt hatte, wurde dies als positiv angesehen. Fast jeder hatte mit mehr Schaeden gerechnet und es liess sich nach dem schnellem Sinken des Yukon ueberall im Dorfe eine unterschwellige Erleichterung verspueren.

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Letzte Änderung: Peter_Kamper - Mai 23rd, 2008 um 8:49:59am
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Re: 2008 Eisbruch am Yukon River:
(Antworten #14 Datum: Mai 23rd, 2008 um 8:56:19am)
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Am Nachmittag hatte mir ein Einwohner des Dorfes erzaehlt, dass morgens ein auf einer Eisscholle sitzender Elch vorbeigetrieben war. "Ja, die arme Kuh sass auf den Hinterkeulen und guckte ziemlich dumm aus der Waesche. Sie muss wohl mit einer Eisscholle vom Ufer abgebrochen sein." Ich persoenlich hielt dies fuer einen Baeren, den man mir aufbinden wollte, nickte aber andaechtig und enthielt mich jeglicher weiteren Meinung. Man kann ja viel erzaehlen....
Erst gestern wurde mir allerdings ein Photo von einem Buschpiloten aus Galena als Beweismaterial zugeschickt, der das folgende Bild aus seinem einmotorigem Flugzeug schoss.



Ich hoffe natuerlich, dass der Elch es schlussendlich an Land geschafft hat. Elche sind gute Schwimmer und mit Kraft und Ausdauer laesst sich sicherlich ein Weg durch das stark verduenne Eisfeld des Yukon finden. Allerdings sollte eine Scholle dieser Groesse hoffentlich auch irgendwo mal ans Ufer stossen.
===============
Bis spaet in den Abend hoehrte ich Boote auf dem Yukon. Es war hell und Einwohner genossen den nun fast freien Wasserlauf 'ihres' Flusses, der sich seit dem morgendlichem Photo schon am Mittag zu einen fast eisfreihem Wasserlauf verwandelt hatte.
Selbst als die Sonne gegen Mitternacht unterging, lag das Land in einem seltsam mystischem Daemmerlicht. Ein leichter vom Fluss kommender Wind trieb den Geruch des Schmelzwassers ins Dorf. Es war eine Mischung aus Holz, Moos, Lehm, Graskeimen und den wenigen Eisschollen, die immer noch vorbeitrieben. Es roch nach neuerwachtem Leben und in der Ferne hoerte man die ganze Nacht Gaense, Enten und andere Wasservoegel.
Gegen vier Uhr morgens wachte ich kurz auf. Es war der Balzgesang einer Drossel. Irgendwie erschiehn es, als waere das ganze gefrohrene Land innerhalb von drei Tagen ploetzlich erwacht und muesste nun alles nachhohlen was der lange Winter verboten hatte. Wenn man die Augen schloss und sich dem Moment hingab, konnte man spueren wie das Land mit seiner neuen Kraft vibrierte.
Nie haette ich damit gerechnet, dass sich der Fluss innerhalb von vier Tagen in solch einer Art und Weise bewegen wuerde oder in solch kurzer Zeit soviele Zugvoegel auftauchen wuerden.
 


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Letzte Änderung: Peter_Kamper - Mai 23rd, 2008 um 10:21:39am
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