Erschreckend, aber wahr
----- aus der süddeutschen zeitung
Am Samstag ist in Florida ein neues Gesetz in Kraft getreten, welches das absolute Recht auf Selbstverteidigung vom Eigenheim auf die gesamte Öffentlichkeit ausdehnt. Das bedeutet, dass jeder Bürger des so genannten Sonnenscheinstaates - egal ob im Straßenverkehr, Lokal oder Supermarkt - ab sofort jede Streitigkeit straffrei mit Waffengewalt beenden darf, solange er sich durch das Verhalten seines Gegenübers in seiner Unversehrtheit bedroht fühlt. Der Bruder des Präsidenten und amtierende Gouverneur von Florida Jeb Bush hatte das Gesetz im April ratifiziert. Der Aufruhr im Land ist immer noch groß. Sämtliche Medien berichteten im Brustton der Empörung, Florida habe Wildwestmethoden legalisiert. Wer jemals den amerikanischen Süden bereist hat, der weiß auch, dass sich hinter der gastfreundlichen Herzlichkeit eine impulsive Streitlust verbirgt, durch die banale Ehrverletzungen innerhalb von Sekunden zur bedrohlichen Konfrontation eskalieren können. Es sind nicht nur die Waffengegner, die gegen das neue Recht auf tödliche Selbstverteidigung protestieren. Die Polizeichefs aus Miami, Palm Bay, St. Petersburg und der Sheriff des Landkreises Broward haben vergeblich versucht, das Gesetz zu verhindern.
Polizeichef Chuck Harmon aus St. Petersburg sagte in einem Interview: "Wenn Sie in einer Bar getrunken haben, fühlen Sie sich vielleicht bedroht - aber können Sie das auch richtig einschätzen? Ich glaube einfach, die Bürger könnten so ein Gesetz fehlinterpretieren." Unterstützt werden diese Gesetzeserweiterungen vom Dachverband der Waffenfreunde, der National Rifle Association, NRA, einer der mächtigsten Lobbygruppen im Lande. Die NRA ist so mächtig, dass sie trotz Terrorgefahren und Heimatschutzgesetzen dafür gesorgt hat, dass Scharfschützen- und Schnellfeuergewehre sowie Flinten mit einer Reichweite und Durchschlagskraft, mit der man Flugzeuge abschießen kann, weiterhin legal verkauft werden dürfen.
Wenn man rein volkswirtschaftlich denkt, ist das neue Selbstverteidigungsgesetz für Florida allerdings eher kontraproduktiv. Die Befürchtung äußerte das dortige Fremdenverkehrsamt, das schon länger mit schwindenden Besucherzahlen zu kämpfen hat. Die Statistik gibt diesen Ängsten Recht.
Nachdem die Zahl der Amerikatouristen durch die Imageprobleme der Nation unter Bush, neue Visaauflagen und verschärfte Grenzkontrollen mit Erfassung von Fingerabdrücken und biometrischem Foto in den letzten fünf Jahren um rund dreißig Prozent gesunken ist, könnte schon ein einziger Streitfall, bei dem ein Tourist ums Leben kommt, das zweitbeliebteste Reiseziel der USA in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. gespeichert
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